Rassismus in Bildern?

Ein Diagnoseversuch in hessischen Geschichtsschulbüchern

Zur Diagnose von Rassismus in Bildern

Die Ausgangsbeobachtung dieser Untersuchung war, dass sich in Schulbüchern oft unzureichend erklärte Reproduktionen von Bildern finden, die in der Wahrnehmung heutiger Beobachter*innen rassistisch wirken. Dies warf die Frage auf, inwiefern es überhaupt möglich ist, objektive Aussagen über Rassismus in Bildern zu treffen.

Zum Einstieg benötigte ich daher eine Rassismus-Definition, die sich auf Bilder anwenden lässt. Ich entschied mich für die Definition des Historikers Immanuel Geiss, der Rassismus als Einteilung von Menschen in überlegene und unterlegene Gruppen aufgrund biologischer Unterschiede auffasst.[1]

Entsprechend dieser Definition wurde jedes Bild auf zwölf Indikatoren hin untersucht, die typischerweise in Bildern auftauchen, welche Diskriminierung zeigen.  Dies ist jedoch nicht hinreichend für die Diagnose als rassistische Darstellung.

In der zweiten Stufe des Diagnoseverfahrens war zu bestimmen, ob das Bild biologische Unterschiede in den abgebildeten Menschen zeigt. Traf dies zu und erfüllte das Bild mindesten vier Indikatoren, wurde es als rassistisch gewertet. In den nachfolgenden Bildern konnten einige dieser Indikatoren festgestellt werden.

Die Abbildungen 4 und 5 zeigen Darstellungen, die nach dem Diagnoseverfahren als rassistisch gewertet werden können. Abbildung 6 ist ein Beispiel für ein unauffälliges Bild und Abbildung 7 zeigt zwar Diskriminierung, wobei jedoch kein Rassismus festgestellt werden kann.

Abb. 2: Die Darstellung von unbekleideten Ureinwohnern wurde in diesem Bild aufgrund der unterschiedlichen biologischen Merkmale als rassistisch gewertet.

Abb. 3: In dieser Darstellung eines nackten Toten wurden keine rassistischen Merkmale festgestellt

Korpus und Auswertung

Als Korpus dienten mir für diesen Test die Abbildungen im Schulbuch Histoire/Geschichte. Europa und die Welt von der Antike bis 1815″. Da Rassismus von den Identitätsvorstellungen und der Perspektive der Rassismus ausübenden und der Rassismus erleidenden Gruppen abhängt, habe ich in den Bildern weiße Europäer*innen als Norm gesetzt, um Abweichungen in den Darstellungen der nicht-europäisch-aussehenden Menschen bewerten zu können. Dabei wurden alle Bilder aussortiert, die keine Menschen zeigen und keine eigene Nummer haben. Wenn zwei Bilder unter einer Nummer nebeneinander standen, bewertete ich die größere Abbildung. Insgesamt umfasste der Korpus somit 206 Bilder. Zur Bewertung der Bilder siehe: Bewertung der Bilder

Diagramm 1: Auswertung der Merkmale für Diskriminierung

Diagramm 2: Anteil rassistischer Abbildungen im Schulbuch

Fazit

Als Ergebnis der Untersuchung ließ sich festhalten, dass zu wenige Bilder im Korpus auffällig waren, um eine definitive Antwort auf die Frage nach der Validität der getesteten Methode zu geben. Erwartungsgemäß waren die meisten als rassistisch identifizierten Bilder im Kapitel über den Kolonialismus zu finden. Ich denke, dass sich die getestete Methode in einer erweiterten und differenzierteren Variante grundsätzlich dazu eignet, Rassismus in Bildern zu diagnostizieren. Allerdings schlage ich vor, dass die Abbildungen, die als Grundlage zur Erarbeitung der Indikatoren dienen, zur Vermeidung von Zirkelschlüssen durch meine eigene Voreingenommenheit, zuvor empirisch auf ihre rassistische Wirkung hin untersucht werden sollten.

Von Malte Hüttenhoff

Literatur

[1] Geiss, Immanuel: Geschichte des Rassismus, Frankfurt 1988, S. 14-18.