Post mortem eines Lehramtstudierenden

Über den Wert der Mitarbeit an der Studiengruppe für Lehramstudent*innen

Zwänge und Chancen des modernen Studiums

Für die meisten Studierenden ist die Wahl der Kurse jedes Semester praktisch vorgegeben. Zwischen Pflichtveranstaltungen, Credit Points und zeitlichen Zwängen fühlt sich das moderne Studium oft wie Politik an, als hätten wir keine wirkliche Wahl. Auch wenn dieses Gefühl größtenteils berechtigt ist, haben wir dennoch eine gewisse Flexibilität. So kam es, dass ich für das Vertiefungsmodul „Historisches Lernen“, die Möglichkeit hatte, der Studiengruppe „Historisches Bildwissen“ beizutreten. Abgesehen davon, dass ich so mein Modul abschließen konnte, erwies sich die Teilnahme als eine Bereicherung für mich. Im Folgenden möchte ich darlegen, um was es bei dieser Veranstaltung geht und wieso ich gerade anderen Lehramtsstudent*innen die Teilnahme an der Studiengruppe ans Herz legen möchte.

Arbeit und Aufgaben der Studiengruppe

Der Kern der Arbeit an der Studiengruppe dreht sich um Bilder, genauer gesagt Bilder aus Schulbüchern. Unsere Aufgabe war es, uns ein Bild auszusuchen und dieses zu erforschen. Sowohl das Bild selbst, als auch seine Verwendung im Schulbuch. Wie tief wir gehen und welchen Fokus wir legen, wurde uns zum großen Teil freigestellt. Schon am Anfang bekamen wir eine Aufgabe, die im Uni-Alltag von Lehramtsstudierenden leider oftmals die Ausnahme darstellt: Wir sollten etwas frei erforschen. Mehr noch als die „Sache“ selbst ergab sich schnell, dass die Recherche der Umstände, d.h. die historischen Kontexte, genauso wichtig waren.

Vermutlich ging es mir wie den meisten anderen Studierenden, die mit so einer Aufgabe konfrontiert werden. Ich war sowohl etwas überwältigt als auch völlig planlos wie ich dabei vorgehen sollte. Sobald die Aufgabe erledigt war, begann sehr schnell der zweite Teil des Leistungsnachweises: Die Aufarbeitung der Befunde (zu der auch dieser Artikel gehört).

Zum Wert der Studiengruppe für Lehramtsstudierende

Am Anfang schrieb ich, dass es sich vor allem für Lehramtsstudent*innen lohne, ein Semester mit der Studiengruppe zu verbringen. Dies hat meiner Meinung nach zwei Gründe:

1. Kritischer Umgang mit Schulbüchern

Im Lehrberuf werden selbst die radikalsten Gegner*innen von Schulbüchern nicht vermeiden können, mit eben diesen zu Arbeiten. Die meisten Studierenden jedoch dürften keinerlei Bedenken an der Benutzung von Schulbüchern für ihren zukünftigen Unterricht haben. Gerade für diese Individuen würde sich eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten der Schulbücher lohnen. Allein schon die Auseinandersetzung mit einem einzelnen Bild eröffnet einen Blick hinter die Kulissen. Wenn wir anfangen zu fragen, „wieso ist gerade dieses Bild hier abgebildet?“ beginnt bereits die kritische Auseinandersetzung.

In meinem Fall war es nicht das Bild selbst, welches mein Interesse weckte, sondern der Text, der es umgibt. Ich stolperte vor allem über die Aussage, die SPD sei die erste Partei überhaupt gewesen, die es über den parlamentarischen Weg versucht habe, die „Soziale Frage“ anzupacken. Natürlich geht es bei der Arbeit der Studiengruppe nicht um den textlichen Inhalt aber es war doch der Text, der mich auf dieser Seite verbleiben ließ. Ich entschied mich also, das Bild, welches sozusagen als Bildüberschrift der Doppelseite fungiert, etwas genauer zu untersuchen. Die Recherche war nicht schwer und schnell konnte ich herausfinden, von wem das Bild stammt, wo und wann es veröffentlicht wurde. Die Frage, wieso gerade dieses Bild hier verwendet wurde, konnte ich allerdings nicht beantworten.

Der Effekt dieser Arbeit war es, dass ich in jedem Schritt eine kritische Haltung und auch Distanz wahren musste, das Schulbuch nicht als ein idealisiertes Buch für die Bildung wahrnehmen durfte, sondern vielmehr als etwas das von Menschen in einem Lebens- und/oder Professionskontext entstand. Es beinhaltet also nicht nur Informationen, sondern es propagiert gleichermaßen ein Bild der Realität – eine Tatsache, der wir grundsätzlich kritisch gegenüber sein sollten. Somit kann festgehalten werden, dass die kritische Auseinandersetzung mit einem der primären Werkzeuge des Lehrerberufs sehr bereichernd und lehrreich ist.

2. Selbstständige freie Recherche

Weiterhin ist nochmals zu betonen, wie wichtig die eigenständige Recherche bei der Arbeit in der Studiengruppe ist. Als Studierende haben wir viel zu selten die Gelegenheit oder die Aufgabe, uns auf so ungewohnten Boden zu bewegen. Doch gerade diese Fähigkeit kann im Lehrerberuf extrem hlifreich werden, vor allem wenn man vermeiden möchte, eine typische Lehrperson zu werden, die alles nach einem Schema abarbeitet.

Abb. 2: Die Schulbuch-Doppelseite, die als Ausgangspunkt der Betrachtung diente.

Abb. 3: Das Bild, welches als „Bildüberschrift“ der Doppelseite fungiert: Karl Marx mit Arbeitern.

Persönlicher Gewinn der Teilnahme

Detailsuche ist zeit- und arbeitsaufwendig, doch für den Lehrerberuf ist es meist gar nicht vonnöten, so sehr ins Detail gehen zu müssen und so bleibt der Aufwand überschaubar. Die Übung, die ich im Kontext der Studiengruppe damit gewinnen konnte, hat sowohl mein Selbstvertrauen gestärkt und meinen Horizont erweitert. Es hat auch wieder einmal gezeigt, wie bereichernd Recherche in sich selbst sein kann – selbst wenn sich Spuren im Sande verlaufen und die Hindernisse den Weg unüberwindbar erscheinen lassen.

Dogmen, ob religiöse, politische oder wissenschaftliche, entspringen der irrigen Überzeugung, Gedanken könnten die Wirklichkeit oder Wahrheit in sich schließen. Dogmen sind kollektive mentale Gefängnisse.

Eckhart Tolle

Von Danny Mezzina