Personalisierte Landkarten

Eine Untersuchung karikaturistischer Darstellungen in Schulbüchern

Die personifizierte Landkarte als Untersuchungsgegenstand

Im Rahmen der Studiengruppe habe ich mich mit einer Karikatur aus dem Jahr 1887 beschäftigt, die in einem Zusammenfassungskapitel eines Schulbuches abgedruckt war. Diese Karikatur nimmt eine gewisse Sonderstellung ein, da sie eine sogenannte „personifizierte Landkarte“ ist. Das bedeutet, dass in dieser Zeichung jedem einzelnen Land ein bestimmtes Motiv zugeordnet ist. Der Zeichner hat hier durch Überzeichung und Reduktion von einzelenen Elementen versucht, ein karikaturistisches Gesamtbild der politischen Lage in Europa anzufertigen.

Historischer Kontext

Die Karikatur fällt direkt in die Zeit des Imperialismus. Der Imperialismus war hauptsächlich gekennzeichnet von der immer weiter fortschreitenden Industrialisierung und ihren Folgen. Durch den technischen Fortschritt und die massive Steigerung der Industriekapazitäten kam es zu einer großen wirtschaftlichen Konkurrenzsituation und einem militärischen Wettrüsten innerhalb Europas. Insbesondere zwischen den Großmächten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich-Ungarn und Russland verstärkten sich die Spannungen stetig weiter, welche schließlich in den Ersten Weltkrieg mündeten.

In dieser Zeit trat auch die Karikatur als Mittel zur Gesellschaftskritik immer stärker in den Vordergrund. Zwar gab es die Satire an sich und auch die Karikatur schon länger, doch erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sie sich als fester Bestandteil einer politischen Gesellschaft. Die englische „Punch“ und der Züricher „Nebelspalier“, aus dem das erste Bild entnommen ist, stellten die ersten vollwertigen Satiremagazine dar. Bei den meisten Karikaturen hatte der Autor die Absicht, durch das Bild eine humoristische Beschreibung der gesellschaftlichen Situation zu liefern. Im Falle der Landkarten wurde so die Realpolitik durch Zuordnung einzelner Attribute zu den Nationen auf die Schippe genommen.

Die humoristische Karte im Schulbuch – ein Resümee

Wir haben die Stellung unserer Bilder im Schulbuch betrachtet und versucht zu erklären, wie und in welcher Funktion sie verwendet werden. Diese Karikatur nimmt innerhalb des Buches eine besondere Position ein. Sie bildet den zentralen Punkt des Zusammenfassungsteils, der das Kapitel zum Imperialismus inhaltlich umreißt. Fast alle Elemente der Seite stehen in einem logischen Zusammenhang zu der Karikatur und beziehen sich auf sie. Sie bildet den Abschluss des Kapitels und fungiert als eine Gesamtinterpretation der politischen Lage in Europa, mit welcher sich die Schüler kritisch auseinandersetzen sollen.

Hierbei kommt dieser Karikatur eine besonders hohe Bedeutung zu, da sich Schüler oft nicht mit allen Kapiteln beschäftigen, sondern durchaus eher mit der Zusammenfassung arbeiten, um in kurzer Zeit zu lernen. Durch die Personifizierung der Länder ist es so möglich, viel Wissen über die politische Lage einer Zeit auf eine humoristische Art zu vermitteln. Somit ist dieser Typus der Karikatur gut für die Verwendung in Schulbüchern oder auch generell im Unterricht geeignet und würde daher ebenso als humoristischer Verweis auf heutige politische Situationen funktionieren. Im Folgenden sind noch zwei weitere personifizierte Landkarten aus der damaligen Zeit als Vergleich zu der ersten Karte zu sehen:

Abb. 2: Satirische Landkarte von Europa zu Beginn des Ersten Weltkrieges (1914).

Abb. 3: Eine weitere satirische Landkarte von Europa zu Beginn des 1. Weltkrieges, gezeichnet von Walter Trier (1914). 

Von Franz