Bilder von Frauen

Untersuchung des Repräsentationsanteils von Frauen und Mädchen als Forschungsansatz

„Die Geschichte der Frau ist die Geschichte eines Verschweigens, einer Aussparung, einer Absenz“. Diese Aussage über die „weibliche Geschichtslosigkeit“ trifft Silvia Bovenschen in ihrem Buch „Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsforen des Weiblichen.“[1]

Zur analytischen Annäherung an Abbildungen von Frauen in der Geschichte habe ich mich dazu entschieden, eine Erhebung der Anzahl von Frauen auf Bildern in hessischen Schulbüchern des Faches Geschichte durchzuführen.[2]

Schulbücher als zentrales Bildungsmedium prägen das Geschichts- und Weltbild von Schülerinnen und Schülern über Jahre hinweg: Sie „wirken über Gewöhnungsprozesse in vielen Schulstunden und Schuljahren durch ihre alternativlose „Wichtigkeit“ und „Richtigkeit“ normsetzend.“[3] Als wichtige Zeitdokumente vermitteln Schulbücher „allgemein anerkannte Werte“.[4]

Besonders Bilder bzw. Abbildungen konstruieren Wirklichkeit. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes werden die Schulbücher hinsichtlich ihrer Abbildungen untersucht, um die Repräsentation von Mädchen und Frauen im Vergleich zu Jungen und Männern herauszukristallisieren. Dies kann als Grundlage für die „Frauenfreundlichkeit“ der gewählten Schulbuchreihen dienen, die keine zahlenmäßige Unterrepräsentation und keine Festlegung auf tradierte Rollen und Verhaltensweisen voraussetzt.”[5]  Um das Ziel der Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft zu erreichen, sollte bereits die Dekonstruktion von Rollenbildern in der Bildungsarbeit im Fokus stehen. Der Repräsentationsanteil der Frauen und Mädchen auf Abbildungen in Schulbüchern stellt hierfür einen wichtigen Forschungsansatz dar.

Forschungsrahmen

Korpusbegründung

Den Forschungsrahmen des vorliegenden Projektes bildet eine Querschnittanalyse der aktuell in Hessen zugelassenen Geschichtsschulbücher für Haupt- und Realschulen. Die Querschnittanalyse stellt ein wichtiges methodisches Vorgehen dar, um möglichst flächendeckende, aktuelle Aussagen treffen zu können. Bei dem Beispiel des Schulbuches kann so ein Überblick über die Bildungsinhalte in Haupt-und Realschulen in ganz Hessen gewonnen werden. Das Erkenntnisinteresse orientiert sich an der (un)gleichberechtigten Repräsentation von Frauen auf Abbildungen in Geschichtsbüchern, die einen Beitrag zur Gesellschaftskonstruktion von Schülerinnen und Schülern der Gegenwart leisten. Aus diesem Grund bietet sich als Forschungsrahmen in diesem Fall eine Längsschnittanalyse zur Erforschung der Entwicklung von Abbildungen von Frauen innerhalb einer Schulbuchreihe nicht an.

Die Abbildungen von Mädchen und Frauen sollen im Vergleich zu denen von Jungen und Männern gesetzt werden, um den Grad der bildlichen Repräsentation erfassen zu können. Die Gegenüberstellung des weiblichen und des männlichen Geschlechts dient hierbei zur Relativierung. Nur so kann die Häufigkeit der Repräsentation der Frauen verglichen werden und als Grundlage für tiefergehende Interpretationen auf den Feldern der Schulbuch- oder bspw. Geschlechtserforschung gelten.

Insgesamt wurden folgende Schulbuchreihen untersucht: zeitreise (Band 1 bis 4), entdecken und verstehen (Band 1 bis 4), denkmal Geschichte (Band 1 bis 4) und Geschichte entdecken (Band 1 bis 4).

Dabei begann die Zählung bei dem jeweiligen ersten Kapitelauftakt des Buches und endete vor den jeweiligen Lexika, Glossaren und Verzeichnissen. In den Zählbereich fallen somit sowohl historisch-thematische, methodische, projekt- und arbeitsorientierte, als auch kapitelbeschließende Seiten. Da die Schulbücher für die Verwendung im Geschichtsunterricht konzipiert werden und es die Aufgabe der LehrerInnen ist, eine Selektion der Seiten festzulegen, erscheint es nicht als sinnvoll, sich lediglich auf bestimmte Kontexte in den Schulbüchern zu beschränken. Außerdem tragen auch Abbildungen auf beispielsweise methodischen Seiten des jeweiligen Geschichtsbuches zum historischen Lernen der Schülerschaft bei. Deswegen werden die Bücher in ihrer Gesamtheit analysiert.

Stufen der Kategorienbildung

Als Bild wurden alle Darstellungen mit einer Bildunterschrift gezählt, also auch Tabellen, Schemata, erklärte Symbole und Karten. Die Menschen auf den Bildern wurden genauer betrachtet, sofern sie als Menschen erkennbar waren. Grundlage dafür boten die Abbildungsgröße (größer als  1 cm), die Helligkeit und die Abgrenzung von anderen Lebewesen (bspw. Tieren) oder Gebäuden, Naturabbildungen, etc.

Die Identifikation der Frauen und Mädchen und der Männer und Jungen wurde an Figurenaspekten der Kleidung, des Aussehens (Körperbau), der Mimik/Gestik und der Interaktion festgemacht.[6]  Dabei wurden aus Gründen der stereotypen Abbildungsweisen bei der Sichtung des Materials bestimmte Rollenbilder zur geschlechtsspezifischen Identifikation bewusst herangezogen. Bei unklarem Geschlecht der abgebildeten Personen wurde in der Bildunterschrift nach Geschlechterzuschreibung gesucht.

Zunächst wurden alle Bilder auf den untersuchten Seiten gezählt und die Verteilung von Mädchen/Frauen und Jungen/Männern quantitativ erhoben.

Die gezählten Bilder, die entweder Mädchen oder Frauen abbildeten, wurden nach induktiv-quantitativem Vorgehen klassifiziert. Als bildinterne formale Kategorien wurden Kategorien der Bildtechnik festgelegt.[7] Bei diesen handelt es sich um Fotografien, Abbildungen von Zeichnungen, Infografiken/Schemata, Abbildungen von Karikaturen/Comics, Abbildungen von Gemälden/Malereien/Stichen und Sonstige. In diese letzte Kategorie fallen Computerkonstruktionen, Abbildungen von Statuen, Plakaten, Wandmalereien, Postkarten, und archäologischen Überresten wie Münzen oder Vasen.

Weiterhin wurde eine Klassifizierung nach darstellungsästhetischen Gesichtspunkten festgelegt. Der Fokus lag dabei auf der Anzahl der abgebildeten Personen. Für diese Kategoriebildung habe ich mich entschieden, um der Wahrnehmungsforschung der sozialen Distanz und wertender Forschung mit Schwerpunkt auf den Fokus des Bildinhaltes eine quantitative Grundlage zu bieten.[8]  Diese zweite Klassifizierung unterteilt sich wie folgt:

  • Einzelbilder, auf denen sich lediglich eine einzelne Person befindet
  • Gruppen- oder Massenszenen, die ausschließlich aus Personen desselben Geschlechts bestehen
  • Gruppenbilder mit sechs oder weniger Personen verschiedenen Geschlechts
  • und Massenszenen mit mehr als sechs Personen verschiedenen Geschlechts.

Empirische Ergebnisse

Es wurden insgesamt 2967 Schulbuchseiten aus vier verschiedenen, aktuell in Hessen für Real-und Hauptschulen zugelassenen Schulbuchreihen des Faches Geschichte auf ihre Abbildungen untersucht. Zunächst wurde die Gesamtanzahl der Bilder in jeder Schulbuchreihe und der Anteil der Bilder, die Personen abbilden, erhoben:

Bei der Übersicht über die jeweilige Gesamtanzahl der Bilder in den vier Schulbuchreihen kann festgehalten werden, dass in jeder Reihe ca. 50% der Bilder Personen abbilden. Dieser erhebliche Anteil untermauert die Bedeutung der Arbeit an personenbezogenen Abbildungen in Schulbüchern. Die Bilder, die keine Personen abbildeten, waren beispielsweise Abbildungen von Gebäuden, Karten, Nationalflaggen, Gebrauchsgegenständen o.ä.

Insgesamt enthält die Reihe denkmal mit Abstand die meisten Bilder (1563), während Geschichte entdecken die wenigsten Abbildungen abdruckt(787). Entdecken und verstehen und zeitreise 1065 bzw. 972 Bilder. Der größte Anteil der Bilder mit Personen äußert sich in der Reihe entdecken und verstehen (59%), der niedrigste in Geschichte entdecken (46%). denkmal bildet auf 51% der Bilder Personen ab und zeitreise auf 56% der Bilder.

Bei der quantitativen Erhebung der Bilder mit Frauen oder Mädchen und Männern oder Jungen wurden folgende Ergebnisse erzielt:

Auf 2341 untersuchten Abbildungen mit Personen enthielten insgesamt 954 Frauen oder Mädchen und 2135 bildeten Männer oder Jungen ab. Somit waren auf 40,8% aller Bilder mit Personen Frauen oder Mädchen zu erkennen und auf 91,2% konnten Männer oder Jungen gezählt werden.

Es kann deutlich erkannt werden, dass in allen vier Schulbuchreihen der Anteil der Abbildungen von Männern oder Jungen an der Gesamtzahl der Bilder mit Personen gegenüber dem Anteil der Abbildungen von Frauen oder Mädchen überwiegt. Keine der Schulbuchreihen enthält mehr als 10% Abbildungen, die keine Männer oder Jungen bzw. ausschließlich Frauen oder Mädchen zeigen. Die meisten Frauen oder Mädchen bildet prozentual entdecken und verstehen ab (47% aller Bilder mit Personen), die wenigsten die Schulbuchreihe zeitreise (36%). Denkmal und Geschichte entdecken liegen mit 40% dazwischen. Denkmal bildet auf 90% der Bilder mit Personen Männer oder Jungen ab, Geschichte entdecken auf 91% der Bilder und entdecken und verstehen sowie zeitreise zeigen auf je 92% aller Abbildungen von Personen Männer oder Jungen. Gemessen an absoluten Zahlen zeigt denkmal die meisten Frauen oder Mädchen (320 Bilder mit Frauen) und Geschichte entdecken mit 144 Abbildungen die wenigsten. Auch bei den Abbildungen von Männern oder Jungen zeigt denkmal in absoluten Zahlen die meisten (724) und Geschichte entdecken die wenigsten (330). In Relation zur Gesamtanzahl der in den jeweiligen Schulbuchreihen abgedruckten Bilder verwundern diese Differenzen kaum. Deshalb kann hier der Analyseschwerpunkt auf die prozentualen Anteile gelegt werden.

Klassifizierung nach Bildtechniken

Bei der Klassifizierung nach verschiedenen Bildtechniken konnte folgendes festgestellt werden:

Die Bildtechniken der Fotografie und des Gemäldes bzw. der Stiche und Malereien formen insgesamt den Großteil aller Abbildungen. Die Bilder von Frauen und Mädchen treten mit erheblichem Abstand zu den anderen Bildtechniken in Form von Abbildungen von Fotografien auf. 427 Bilder der 964 Bilder mit Frauen oder Mädchen sind Fotografien, das entspricht 44,3%. Auch die Abbildungen von Männern oder Jungen sind zumeist in der Bildtechnik der Fotografie. Von 2135 Bildern, die Männer abbildeten, sind 747 Abbildungen von Fotografien (35%).

Obwohl die Abbildungen von Gemälden, Stichen und Malereien bei beiden Geschlechtern den zweithäufigsten Anteil der verwendeten Bildtechniken darstellt, übertrifft die Anzahl der Männer, die auf Gemälden, Stichen oder Malereien abgebildet sind, um mehr als das doppelte die Anzahl der Frauen, die im Zuge dieser Bildtechniken auftauchen. Auf 690 Abbildungen von Gemälden, Stichen oder Malereien sind Männer oder Jungen zu erkennen, lediglich auf 256 zählt man Frauen oder Mädchen. Auf 98 Zeichnungen sind Frauen oder Mädchen abgebildet, auf 183 Männer oder Jungen. Auf Infografiken oder Schemata konnten 44 Mal Frauen oder Mädchen gezählt werden und 103 Mal Männer oder Jungen. Gemeinsam mit den Comics und Karikaturen (15 Abbildungen von Frauen, 106 von Männern) bildet diese Bildtechnik die zahlenmäßig kleinste Kategorie.

Der Kategorie „Sonstiges“ wurden Abbildungen von Frauen oder Mädchen 116 Mal zugeordnet und Abbildungen von Männern oder Jungen 300 Mal.

Insgesamt gibt es keine Bildtechnik, bei der Frauen häufiger auftauchen als Männer. Es fällt auf, dass Männer und Jungen in jeder Kategorie über 100 Mal gezählt werden konnten, während die Anzahl der auftauchenden Frauen beispielsweise bei den Comics und Karikaturen verschwindend gering ist.

Anzahl der Bilder mit Frauen/Mädchen und Männern/Jungen

Die Ergebnisse der Erfassung der jeweiligen Anzahl der Frauen/Mädchen und Männer/Jungen lauten wie folgt:

Bei 2341 untersuchten Bildern von Personen entsprachen 258 Bilder der Definition von Gruppenszenen (sechs oder weniger Personen) gemischten Geschlechts und 500 Bilder konnten der Kategorie Massenszene (mehr als sechs Personen) zugeordnet werden.

Das Vorkommen von Frauen und Mädchen in Massenszenen und Gruppenbildern gemeinsam mit Männern oder Jungen (758) überwiegt deutlich im Vergleich zu den Abbildungen, auf denen ausschließlich Frauen zu sehen sind. Dabei handelt es sich um 206 Bilder, das entspricht 21,4% aller Abbildungen, auf denen Frauen enthalten sind.

114 Abbildungen zeigen eine einzelne Frau oder ein einzelnes Mädchen, während 92 Bilder ausschließlich weibliche Gruppierungen oder Massen abbilden.

Bei der Zählung der Männer und Jungen stellen Gruppen- und Massenszenen gemischten Geschlechts die Minderheit dar. Auf 1377 Abbildungen sind exklusiv Personen männlichen Geschlechts identifizierbar. 518 Bilder stellen einzelne Männer oder Jungen dar und der überragende Anteil von 859 Bildern (40,2% aller Abbildungen mit Männern) zeigt Gruppen- oder Massenszenen, die sich ausschließlich aus Männern oder Jungen konstituieren.

Schlussfolgerungen aus der Unterrepräsentation von Bildern mit Frauen/Mädchen

Zunächst lässt sich festhalten, dass die aktuell in Hessen zugelassenen Schulbücher für Real- und Hauptschulen der Abbildung von Frauen und Mädchen lediglich knapp 22% der Gesamtzahl an Bildern widmen. Sie machen 40,8% der Bilder mit Personen aus. Männer und Jungen sind im Vergleich auf über 90% der Bilder mit Personen zu erkennen. Hier kann eine deutliche Überrepräsentation der Männer und Jungen erkannt werden.

Gemessen am prozentualen Anteil ist entdecken und verstehen mit 47% Abbildungen von Frauen die Schulbuchreihe, die am häufigsten Frauen und Mädchen in den historischen Bildkontext setzt.Bei denkmal tauchen die meisten Bilder auf, die ausschließlich Frauen zeigen (10%). Diese Erkenntnis bildet eine Basis für die Einstufung im Sinne der„Frauenfreundlichkeit“ der Schulbuchreihen.

Mit der Klassifizierung nach Bildtechniken kann festgestellt werden, dass Frauen öfter abgebildet werden, seit die Technik des Fotos entwickelt wurde. Gleichzeitig nimmt auch die Anzahl der Abbildungen von Männern innerhalb dieser Bildtechnik-Kategorie zu, was die Aussage relativiert. Interessant ist der erhebliche Unterschied zwischen den Gemälden, Malereien und Stichen, die Männer abbilden, zu denen die Frauen abbilden. Ob dies auf eine geringere Verbreitung von gemalten Frauen in historischen Kontexten zurückgeführt werden kann, müsste geprüft werden. Infografiken und Schemata, die häufig die Gesellschaftsstruktur verdeutlichen sollen, bilden erstaunlicherweise auch lediglich halb so oft Frauen wie Männer ab. Inwiefern hier ein Zusammenhang zu den realen historischen Gesellschaftsstrukturen erstellt werden kann oder ob die Autorenarbeit aufgrund von Ungebundenheit an Verfügbarkeiten kritisiert werden muss, bedarf näherer Untersuchung.

Bei der Untersuchung der Anzahl der abgebildeten Personen, lässt sich eindeutig festhalten, dass Frauen auf Bildern hauptsächlich gemeinsam mit Männern auftauchen. Besonders sticht der Unterschied zwischen Frauen, die in Gruppen oder Massen ausschließlich weiblichen Geschlechts abgebildet sind (92), und Männern heraus, die in Gruppen oder Massen ausschließlich männlichen Geschlechts abgebildet sind (859). Auch die Einzelbilder bestätigen die Fokussierung auf Männer und Jungen: Auf 518 Bildern sind Männer allein zu sehen und lediglich 114 Abbildungen zeigen einzelne Frauen. Ein Geschichtsbild von „großen Männern, die Geschichte machen“ wird dadurch hervorgehoben.

Ausblick: Erweiterungen des methodischen Ansatzes

Auf der Grundlage des Forschungsprojektes kann neben der Kontextualität in den Schulbuchreihen der Frage nachgegangen werden, ob sich das Vorkommen der Fotografien, Gemälde, Konstruktionen oder anderer Bildtechniken methodischen oder thematischen Kapiteln zuordnen lässt. Weitergehend lässt sich überprüfen, ob historisch-epochale Differenzen zu erkennen sind, woraus dann Korrelationen zum Vorhandensein oder zur Verbreitung verschiedener Bildtechniken unterschiedlicher Epochen hergestellt werden können.

Obwohl Frauen häufig auf Massenszenen gezählt wurden, sind sie dort auch häufig in der Unterzahl, schlecht erkennbar oder nicht im Mittelpunkt des Bildes. So bietet die Erhebung nach darstellungsästhetischen Gesichtspunkten Raum für tiefergehende Untersuchungen. Hierbei kann man beispielsweise nach wertenden Kategorien die aktiv handelnde Person im jeweiligen Bild bestimmen. Auch hinsichtlich der Fokussierung kann der Frage nachgegangen werden, ob kontextbestimmte oder auch epochale Unterschiede in der Darstellung bestehen.

Um sich der Frauenfreundlichkeit der Schulbücher anzunähern, ist außer der quantitativen Arbeit dieses Forschungsprojektes die Erforschung der Konzeptualisierung der Schulbuchreihen erforderlich. Dabei kann die Anzahl der Texte von Autorinnen und Autoren erhoben werden. Hinzu kommt eine vertiefende qualitative Analyse des Dargestellten. Als Vorbild kann die Methodik des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales und des Ministeriums für Bildung und Sport des Saarlandes dienen: Die dargestellten Personen werden hinsichtlich ihrer Tätigkeit im öffentlichen (Arbeitswelt, Technik, Wissenschaft, Kunstetc.) und im privaten (Identitätsfindung, Freundschaften, Vorurteile) Bereich und hinsichtlich ihrer Verhaltensweisen (Abenteuerlust, Hilfsbereitschaft, aggressives Verhalten etc.) untersucht.[9]

Zentral wäre außerdem eine umfassende wahrnehmungspsychologische Rezeptionsforschung, die sich mit dem Thema „Bilder mit Frauen“ auseinandersetzt, um den Effekt der zahlenmäßigen Unterrepräsentation von Frauen und Mädchen in Schulbüchern zu erfassen.

Weiterhin wäre eine bundes- oder europaweite Erhebung in Form einer Querschnittsuntersuchung interessant, um einen nationalen oder europäischen Vergleich herstellen zu können, inwiefern die Schulbücher Deutschlands oder Europas Bilder von Frauen abdrucken. Auch eine Längsschnittuntersuchung ist ebenfalls von Erkenntnisinteresse, um zu sehen, wie sich die Häufigkeit und Art der Abbildung von Frauen in Schulbüchern zeitlich gewandelt hat. Dies lässt sich auch auf andere Fächer als Geschichte beziehen, da die fachliche Schwerpunktbildung in verschiedenen Schulen, Ländern oder Epochen divergieren kann.

Zur Bestätigung der Aussage von Silvia Bovenschen über die „weibliche Geschichtslosigkeit“, gehört viel mehr als die quantitative Erhebung nach dem Vorbild dieser Forschungsarbeit. Trotzdem bieten die Ergebnisse eine erste Grundlage, zur wissenschaftlichen Wahrnehmung der Unterrepräsentation der Frau im Bildungsmedium Schulbuch, welches das Geschichtsbild der Gesellschaft in jedem Fall mitprägt.

Literatur

[1] Bovenschen, S.: Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zukulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen, Frankfurt am Main 1979, S. 10.

[2] Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung der Idee und der ersten Zählung war Kim Urschek. Bei der späteren Zählung unterstützte mich Miriam Dietenberger tatkräftig. Beiden vielen Dank.

[3] Dick, A.: Rollenbilder von Männern und Frauen, Jungen und Mädchen in Schulbüchern. Anregungen zu ihrer Behandlung im Unterricht der Primarstufe und Sekundarstufe 1,Wiesbaden 1991, S. 5.

[4] Thonhauser, J.: Das Schulbuch im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Ideologie. In: R.Olechowski, Schulbuchforschung, Frankfurt am Main 1995, S. 184.

[5] Kees, M. et. al.: Mädchen und Frauen in Lesebüchern der Sekundarstufe I. Gutachten des Projektes „Mädchen und Frauen im Schulbuch“, Saarbrücken 1991, S. 222.

[6] Trittmann, E./ Lobinger, K.: Quantitative Bildinhaltsanalyse. In: T. Petersen/ C. Schwender, Die Entschlüsselung der Bilder. Methoden zur Erforschung visueller Kommunikation. Ein Handbuch, Köln 2011, S. 156-157.

[7] Ebd., S. 152-154 und S. 161.

[8] Ebd., S. 154-156.

[9] Kees, M. et. al.: Mädchen und Frauen in Lesebüchern, S. 16.