Über den vermeintlichen Authentizitätsbonus von Fotografien
Defizite im Umgang mit Bildern
Zu unseren Defiziten im Umgang mit Bildern gehört, dass wir geneigt sind zu glauben, Fotografien bildeten die Realität ab. Doch nicht nur ein bearbeitetes Foto „lügt“. Die Verzerrung der Wirklichkeit beginnt bereits bei der Auswahl des Motivs. Was wird als wichtig oder ästhetisch genug erachtet, um es abzulichten?
Technische Bedingungen
Die ersten Fotoverfahren reichen in die 1830er-Jahre zurück. Die „Entdeckung“ der Fotografie als historische Quelle geht deshalb Hand in Hand mit der Entdeckung industrieller Lebenswelten. Widmete sich die Industriefotografie anfangs noch Maschinen und Fabrikanlagen, rückte mit Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend der Mensch in den Fokus. Doch mit den noch schwerfälligen Kameras mit ihrer Plattentechnik und ihren langen Belichtungszeiten waren keine unbedachten Aufnahmen möglich.
Soziale Prozesse
Erst mit dem Aufkommen von Handkameras begannen Menschen, ihre eigene soziale Realität fotografisch einzufangen. Anfangs war die Fotografie ein sozial exklusives Medium. Auch bei Fotografien mit augenscheinlich rein dokumentarischer Absicht müssen wir uns daher fragen, wer hier wessen soziale Realität fotografiert beziehungsweise in welcher Relation Fotograf und Fotografierende stehen.
Wie kommt das Foto ins Schulbuch?
Eine Fotografie in einem Schulbuch ist immer eine Reproduktion. Durch den Weg der Überlieferung und mögliche Bearbeitungen wie zum Beispiel Bildzuschnitte und Betitelungen sowie sonstige Bedeutungszuschreibungen entwickelt sie gewissermaßen ein Eigenleben. Daher gilt es, auch diesen Überschuss an Bedeutung zu entschlüsseln.
Fazit
Zur Deutung einer Fotografie gehört über die Beschreibung und Analyse des Bildinhalts hinaus eine Auseinandersetzung mit den technischen und sozialen Prozessen rund um ihre Entstehung und Überlieferung. Hier kann die Geschichtswissenschaft kulturwissenschaftliche Ansätze aufgreifen.
Von Sarah Fischer