Probleme von Holzschnitten und Umzeichnungen

Ein Erfahrungsbericht am Beispiel einer Schulbuchdarstellung Ottos I.

Zur Darstellung Ottos I. auf der Schulbuchseite

Im Folgenden soll das Problem von Holzschnitten und Umzeichnungen anhand einer Schulbuchdarstellung Ottos I. untersucht werden. Bei der Schulbuchdarstellung handelt es sich um ein rundes Bild, welches im Zentrum ein Brustbildnis eines bärtigen gekrönten Mannes mit einer Kugel und einem länglichen Gegenstand in den Händen zeigt. Die Umschrift lautet +OTTOIMPERATORAVGVSTVS (Otto erhabener Kaiser). Anhand der Inschrift wird deutlich, dass es sich bei der Figur um Kaiser Otto handelt. Die Kugel stellt in diesem Kontext einen Globus (dieses Herrschaftszeichen war als kaiserliches Siegelbild im oströmischen ebenso üblich wie eine bärtige, frontal gekrönte Brustbüste[1]) dar. Der längliche Gegenstand wird vom Verfasser wie auch von anderen Teilnehmer*innen der Studiengruppe als Schwert betrachtet.

Um das Schema zu füllen, mussten Literatur und Bildnachweise gefunden werden. Da der Verfasser bereits zuvor mit Siegeln in Kontakt gekommen war, schlug er das vom Schulbuch als Siegel bezeichnete Objekt bei Schramm 1983 [2] und Posse 1909 [3] nach und fand so ein scheinbar ikonographisch identisches Bild (Abb. 3).

Abb. 2: Vergrößerung des Bildes aus dem Schulbuch – ein Holzdruck aus Stacke (1880).

Abb. 3: 2. Kaisersiegel Ottos I. nach Posse 1909, Taf. VII, Abb. 4.

Problemstellung

Vergleicht man die beiden Bilder (Abb. 2 und Abb. 3) miteinander, so fällt auf, dass sie weitestgehend übereinstimmen. Ein kleiner Unterschied besteht darin, dass der längliche Gegenstand in der rechten Hand Ottos I. bei der Fotografie des Wachssiegels (Abb. 3) ein Lilienzepter (Lilienzepter wurden bereits von Ottos Vorgängern in Italien verwendet[4]) ist, während der längliche Gegenstand in der rechten Hand Ottos in Abb. 2 ein Schwert zu sein scheint. Abb. 2 ist also ikonographisch nicht identisch mit der Abb. 3, die von allen bekannten Wachssiegeln Ottos I. der Abb. 2 am nächsten kommt.

Wie also kommt dieser Unterschied zustande, wo das Schulbuch die Abbildung doch als ein Siegel Ottos I. beschreibt? Über eine Internetrecherche unter anderem bei der vom Schulbuch als Bildquelle benannten AKG-Images Berlin wurde klar, dass das Bild aus dem Schulbuch ein Holzschnitt ist, der von der AKG sogar koloriert wurde, um ihn als solchen kenntlich zu machen.[5] Der Umstand, dass es sich um einen Holzschnitt handelt, erklärt auch die Rillen, die im Bildhintergrund zu sehen sind, welche in einem Wachssiegel in der Regel fehlen.

Entstehung des Holzschnitts

Wie und warum wurde aber der Holzschnitt, den das Schulbuch als Siegelabbildung benutzte, nach dem zweiten Kaisersiegel Ottos I. verwendet?

Da es gleichermaßen schwierig wie teuer war, Bilder zu drucken, erfand man den Holzschnitt, mit dem Bilder deutlich günstiger gedruckt und vervielfältigt werden konnten. Der Xylograph war ein Handwerker in einem häufig an einen Verlag angeschlossenen Atelier. Er war weder Autor der Werke, für die er Illustrationen schuf, noch war er ein Kenner der Materie, die er im Holzschnitt abbildete. Er dürfte in unserem Fall des Siegels auch kein Original zu sehen bekommen haben, sondern viel wahrscheinlicher formte er den Holzschnitt nach einer Zeichnung, die anhand des Originals einer anderen Zeichnung oder einer Fotografie angefertigt worden war. Durch das andere Material des Holzes sowie durch einen „Stilleposteffekt“ beim Reproduzieren schlich sich der kleine Unterschied ein.[6] Veröffentlicht wurde ein Abdruck des Holzschnitts 1880 in einem Werk zur Geschichte von Stückel, der es als Kaisersiegel Ottos des Großen bezeichnete, jedoch ohne Hinweis darauf, dass es sich um einen Holzschnitt handelte.[7] Dies war völlig normal und legitim, da bis 1880 auch Fotografien durch Holzschnitte vervielfältigt wurden. Erst im Jahre der Veröffentlichung wurde eine Methode entwickelt, mit der man Fotografien günstiger in Druckwerken vervielfältigen konnte.[8]

So nützlich Zeichnungen und Holzschnitte von Siegeln sind, da in diesen, wie auch im folgenden Bild zu sehen ist,[9] die Details häufig besser zu erkennen sind, so gefährlich sind sie, wie obiges Beispiel zeigt, für denjenigen, der ikonographisch arbeiten möchte. Während in unserem Fall der Unterschied aufgeklärt werden kann und durch die Existenz des entsprechenden Vorbilds ein sicherer Umgang mit dem Abbild möglich ist, entsteht ein größeres Problem, wenn kein Siegelabdruck oder Siegelstempel existiert (ein Beispiel hierfür ist das Siegelbild Knuts des Heiligen).[10]

Abb. 4: Ein Beispiel für eine notwendige Umzeichnung.

Zur Frage des Originals

Eine weitere Schwierigkeit beim Ausfüllen des Schemas stellte die Frage nach dem Original dar: Ist das Original das Wachssiegel, welches als Vorbild diente, oder der Stempel, mit dem dieses geformt wurde, oder ist es vielleicht doch die Zeichnung, nach welcher der Holzschnitt angefertigt wurde? Schließlich könnten es aber auch der Holzschnitt, der zum Druck verwendet wurde, sowie der Holzdruck sein.

Die gefundene Lösung lautet, dass es völlig gleich ist, ob man den Holzschnitt oder einen Holzdruck vor sich liegen hat, da der erste angefertigt wurde, um den zweiten zu erstellen und sie ikonographisch und größentechnisch identisch sein müssen. Das Siegel, welches im gleichen Verhältnis zu seinem Stempel steht, ist dagegen als etwas anderes zu betrachten, da es ikonographisch anders geartet ist. Über die vermittelnde Zeichnung ist uns nichts bekannt und somit kann hierzu keine Aussage getroffen werden.

Von Daniel Seelbach

Literatur

[1] O.A.: Constantine VII.: https://www.doaks.org (letzter Zugriff 4.01.2021).

Nesbitt, John William/Morrisson, C.: Catalogue of Byzantine Seals at Dumbarton Oakes and in the Fogg Museum of Art/6, Washington 2009.

Seelbach, Daniel: Siegel christlicher Herrscher des 9. und 10. Jh.s. Ausgehend von einem Siegel Basileios I. (unveröffentlichte Bachelor-Arbeit, Frankfurt a. M. 2016).

Zacos, G./Veglery, A.: Byzantine Lead Seals. Vol. I, 1, Basel 1972.

Zacos, G./Veglery, A.: Byzantine Lead Seals. Vol. I, Plates, Basel 1972.

[2] Schramm, Percy Ernst: Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit 751 – 1190, München 1983.

[3] Posse, Otto Adalbert: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 751 bis 1806. 1. 751 – 1347. Von Pippin bis Ludwig den Bayern, Dresden 1909.

[4] Schramm, Percy Ernst: Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit 751 – 1190, München 1983, 186f., 329f., 333.

[5] O. A.: Otto Imperator Augustus: https://www.akg-images.de (Zugriff 4.01.2021).

Hahn, Karl-Friedrich: Mitteilung per Mail (16.05.2017).

[6] vgl. Hanebutt-Benz, Eva-Maria.: Studien zum deutschen Holzstich im 19. Jahrhundert, Frankfurt 1984.

[7] Stacke, Ludwig: Deutsche Geschichte. Bd. 1. Von der ältesten Zeit bis zu Maximilian I., Bielefeld/Leipzig 1880.

[8] vgl. Hanebutt-Benz, Eva-Maria.: Studien zum deutschen Holzstich im 19. Jahrhundert, Frankfurt 1984.

[9] Kittel, Erich: Siegel, Braunschweig 1970.

[10] Lind, John: Knud den Helliges segl – et ægte prætentionssegl? Peringskiöld som segltegner, In: Scandia 52 (1987), S. 327-346.