Jacques-Louis Davids Serment du Jeu de paume

Zur Bebilderung des Ballhausschwurs im Kontext hessischer Geschichtsschulbücher

Fragestellung und Definition des Gegenstands

Jacques-Louis Davids Entwurfzeichnung für ein äußerst großformatiges Historiengemälde, das den Ballhausschwur am 20. Juni 1789 aufgreift, ist trotz seiner unfertigen Ausführung eine Ikone der Kunst der Französischen Revolution und hat auch einen ikonischen Status in Geschichtsschulbüchern, die die Französische Revolution thematisieren. Susanne Popp führt in ihrer Analyse eines europäischen Bildersaals Jacques-Louis Davids „Segment du Jeu de paume“ als eine der häufigsten Abbildungen in europäischen Schulbüchern auf. [1]

Bei der ersten Übersicht der Abbildungen von Davids „Segment du Jeu du paume“ in hessischen Geschichtsschulbüchern fällt direkt die große Bandbreite der Abbildungen auf. Besonders oft wir ein koloriertes Werk abgebildet, das zum Teil dem Graphiker und Graveur Jean Pierre Marie Jazet (1788-1871) [2] zugeschrieben wird, aber in manchen Lehrwerken fälschlicherweise als Werk Davids bezeichnet wird. [3]

Dieser Auffälligkeit folgend, wurden die Abbildungen im Kontext des Ballhausschwurs in Hinblick auf Maße, Ausschnitt und die Werkdaten untersucht. Zunächst wird das Werk jedoch mit einem  Fokus auf seine Komposition betrachtet.
Die genannten Kunstwerke werden unter ihrem Originaltitel wiedergegeben und das Ereignis des Schwurs in der gängigen deutschen Bezeichnung als „Ballhausschwur“ oder „Schwur im Ballhaus“ benannt.

Abb. 2: „Le Serment du Jeu de paume“ / „Der Ballhausschwur“ von Jacques-Louis David (1791)

Abb. 3: Koloriertes Werk von „Le Serment du Jeu de Paume“ das zum Teil dem Graphiker und Graveur Jean Pierre Marie Jazet (1788-1871) zugeschrieben wird.

Das Werk Le Serment du Jeu de paume

Historischer Kontext

Den Schwur im Ballhaus bezeichnet den am 20. Juli 1789 geleisteten Eid der Nationalversammlung, die sich von den von Ludwig XIV einberufenen Generalständen abspalteten, mit dem Ziel, Frankreich eine Verfassung zu geben.[4] Elisabeth Erdmann bewertet ihn als ein ikonisches Ereignis, das sicherlich kein alleiniger Auslöser der Revolution wäre, aber im revolutionären Erinnerungsgedächtnis als ein solches zelebriert worden wäre. [5]

Jacques-Louis David (1748 – 1825) wurde von der Nationalversammlung beauftragt, ein Werk anlässlich des einjährigen Jubiläums des Ballhausschwurs auszuführen. Er hatte sich zuvor mit Werken, die als Vorläufer der Revolution interpretiert werden, eine Reputation als Maler erarbeitet. David war während der Französischen Revolution selbst politisch aktiv, gehörte dem Jakobinerklub an, erfüllte propagandistische Arbeiten und wurde im September 1792 Teil des Nationalkonvents.[6]

Komposition

Nachdem das Werk für den neuen Sitzungssaal der Nationalversammlung in Auftrag gegeben wurde und David die ursprünglichen Maße des Werkes  6,35 x 10 m wurden von David mit 8,66 x 11,65 m sogar noch größer plante,[7] stellt sich die Frage, inwiefern David in seiner Komposition, der Perspektivkonstruktion und der beabsichtigten Wirkung auf den Rezipienten durch die Architekturentwürfe beeinflusst war. Mit der an eine Theaterbühne erinnernden, architektonischen Konstruktion und der zentralen Figur Baillys, der direkt den Betrachter adressiert, erschließt sich ein neues Verhältnis vom Werk zum Raum. Davids Projekt wurde jedoch nie als Gemälde ausgeführt. Vermutlich durch Davids eigene politische Arbeit und das Verschwinden der Bildprotagonisten von der politischen Bühne.[8] Erhalten sind viele Skizzen, Studien, eine teilweise ausgeführte farbige Ölstudie und ein 65,6 x 101 cm großer Federzeichnungsentwurf, der am häufigsten unter dem Titel „Le Serment du Jeu de paume“ abgebildet wird, sozusagen das Sinnbild dieses großes Projekts ist.[9]

Dies verdeutlicht die komplexe, mit Symbolen aufgeladene Komposition Davids, die die Interpretation seines Werkes erschwert. Viele Details, besonders in den beim ersten Blick nicht beachteten Bildrändern, haben eine Bedeutung und erzählen eine eigene Geschichte. So lässt sich feststellen, dass es sich bei dem Entwurf um ein vielschichtiges politisch aufgeladenes Werk handelt, in dem sich seine Perspektive der späteren Politik deutlich auf die Komposition und die Figuren auswirkt. Der Entwurf ist stark durch die perspektivische Konstruktion mit Fokus auf das zentrale Figurenband geprägt. Ein Beschnitt des Werks als Abbildung in einem Buch hätte nicht nur den Verlust vieler aussagekräftiger Details zur Folge, sondern es könnte auch die Wahrnehmung der Szenerie beeinflussen.

Die Werkgenese spielt wahrscheinlich eine große Rolle für die dargestellten Figuren. So wurden einige Personen dargestellt, die am 20. Juni nicht in Versailles anwesend waren, wie beispielsweise Marat oder die entgegen ihrer Rolle in Davids Werk keine besondere Bedeutung an dem politischen Ereignis hatten, wie z.B. Robespierre. Davids Arrangement wurde von seiner späteren Perspektive auf den Ballhausschwur, durch die gegenwärtige Politik und ihre Protagonisten beeinflusst.[10]

Abb. 5: Wolfgang Kemps Diagramm von Abb. 4.

Abb. 4: Jacques-Louis David, Vorstudie zum „Schwur im Ballhaus“, Graphitzeichnung, 66,2 x 99 cm, Fogg Art Museum

Korpusbildung und Analyseverfahren

Für die Untersuchung wurden alle gymnasialen Schulbücher (SKI und SKII) betrachtet, die zum Zeitpunkt der Analyse (14.02.2019) in Hessen zugelassen waren und die Französische Revolution von 1789 thematisieren. Es sind zwei grundlegend unterschiedliche Versionen definiert: einmal Davids gezeichneter Entwurf und im Gegensatz dazu die Version, die Davids Vorbild aufgreift und koloriert.

Zuerst wurden alle 13 Schulbücher des Untersuchungskorpus danach durchgesehen, ob sie eine Abbildung von Jacques-Louis Davids „Serment du Jeu de paume“ oder ein sich stark daran orientierendes Werk (kolorierte Version) enthalten. Andere künstlerische Arbeiten zum Ballhausschwur, wie beispielsweise von Pierre-Gabriel Berthault, Charles Monet oder Nicolas Francois Joseph Masquelier, sind in keinem Schulbuch enthalten. Wenn eine Abbildung des Ballhausschwurs vorhanden ist, dann ist es Davids „Le Serment du Jeu de paume“ oder die daran orientierte kolorierte Version.

Auswertung der Abbildungen

Zwei der untersuchten Bücher enthalten keine Abbildung des Ballhausschwurs. Von den Schulbüchern, die den Ballhausschwur von oder nach David abbilden, enthalten zwei die Federentwurfszeichnung (siehe Tabelle). Die restlichen Schulbücher enthalten Variationen der kolorierten Version. Die Entwurfszeichnung wird in beiden Fällen Jacques-Louis David zugeschrieben. Die Bandbreite der Zuschreibungen der kolorierten Version ist dagegen variantenreicher. (siehe Tabelle)

Schließlich wurden anhand der Bilduntertitel und Bildbeischriften auch die Werkdaten geprüft, welche neben dem Namen des Künstlers das Entstehungsjahr, die Technik mit der gearbeitet wurde, das Format des Kunstwerkes, den heutigen Standort des Werkes sowie die Herkunftsangabe der Abbildung umfassen. Beide Bildunterschriften der Abbildungen von Davids Entwurfszeichnung bezeichnen die Technik als eine Federzeichnung. Die Bandbreite der Angaben zu den kolorierten Versionen ist wieder weiter gefächert. In vier Schulbüchern wird sie als Gemälde bezeichnet, in einem als Skizze, in einem als Kupferstich, in einem als kolorierter Stich und in zwei anderen wird keine Aussage zur Technik getroffen. Bei der Datierung wird in drei Fällen keine Aussage gemacht, die meisten datieren das abgebildete Werk in oder um 1791. Dabei eröffnet sich aber bei einigen Bildunterschriften die Problematik, dass sie sich auf die gängige Datierung von Davids Entwurfszeichnung beziehen, aber die kolorierte Version abbilden, die später entstand. (siehe Tabelle)

Die Maße des abgebildeten Werkes werden nur in zwei Schulbüchern genannt, in den restlichen acht fehlt diese Information. (siehe Tabelle)

Abschließend werden noch die Maße und die Seitenverhältnisse mit Davids Werk verglichen. Der Durchschnitt aller Abbildungen ergibt das Seitenverhältnis von 1,610:1.

Name des Schulbuchs Geschichte und Geschehen 3 (S. 15) Horizonte II (S. 253) Forum Geschichte 3 (S. 35) Horizonte 3 (S. 9) Zeiten und Menschen I (S. 305) Geschichte und Geschehen, Neuzeit (S. 23)
Abgebildete Version Entwurf Koloriert KoloriertKoloriertKoloriert Koloriert
Maße der Abbildung im Buch (Seiten-
verhältnis)
16,9 x 10,4 cm (1,625:1) 16,2 x 10,5 cm (1,542:1) 12,3 x 8,5 cm (1,464:1) 16,2 x 10,4 cm (1,557:1) 13,5 x 9,5 cm (1,421:1) 11,4 x 6,4 cm (1,781:1)
Zuschreibung und ggf. Vorbild Jacques-Louis David k.A. nach Jacques-Louis Davids Vorbild Jean-Pierre-Marie Janet nach J.L. Davids Vorbild Jacques-Louis David k.A. nach Jacques-Louis Davids Vorbild k.A.
Angabe der Maße des abgebildeten Werks105 x 65 cm k.A. k.A. k.A. k.A. k.A.
Technik des abgebildeten Werks Federzeichnung Kolorierter Stich Kupferstich GemäldeGemäldek.A.
Datierung des abgebildeten Werks 17911823/241820um 1791k.A.k.A.
Name des Schulbuchs Geschichte und Geschehen, Einführungsphase, Oberstufe (S. 167) Buchners Kompendium Geschichte. Von der Antike bis zur Gegenwart (S. 150) Histoire/Geschichte. Europa und die Welt von der Antike bis 1815 (S. 203) Europa Unsere Geschichte 2 (S. 199) Kursbuch Geschichte (S. 209)
Abgebildete Version Koloriert Entwurf Koloriert Koloriert Koloriert
Maße der Abbildung im Buch (Seiten-
verhältnis)
15,2 x 10,5 cm (1,447:1) 14,7 x 8,4 cm (1,75:1) 13,2 x 8,1 cm (1,629:1) 16,8 x 8,5 cm (1,976:1) 11,2 x 7,2 cm (1,625:1)
Zuschreibung und ggf. Vorbild Jean-Pierre-Marie Janet nach J.L. Davids VorbildJacques-Louis David Jacques-Louis David Nach Jacques-Louis Davids Vorbild Anonym, nach Jacques-Louis Davids Vorbild
Angabe der Maße des abgebildeten Werksk.A.k.A. 66 x 101,2 cmk.A. k.A.
Technik des abgebildeten Werks Gemälde Lavierte Federzeichnung auf PapierSkizze Zeitgenössische Kopie nach dem Gemälde von Jacques-Louis David Gemälde
Datierung des abgebildeten Werks k.A. 17911791um 17911791

Fazit

Bei der Untersuchung der hessischen Schulbücher fällt auf, dass das Motiv von Davids Ballhausschwur häufig Verwendung findet (11 von 13). Die von David stammende Entwurfszeichnung ist jedoch in der Unterzahl und es taucht öfter eine kolorierte Version auf, deren Herkunft unklar ist. (2 mal der Entwurf und 9 mal die kolorierte Version). Auch schwanken die Korrektheit und die Ausführlichkeit der werksbezogenen Daten deutlich.

Das Bild, das der Leser von Davids Werk erhält, variiert, abhängig vom jeweiligen Schulbuch deutlich. Durch die breite Variation von werksbezogenen Daten, der ausgewählten Version, das Seitenverhältnis und den Beischnitt der Abbildung entsteht eine große Beliebigkeit.

Warum scheint die Auswahl der Abbildung so beliebig zu sein? Sind es vielleicht Entscheidungen aufgrund von ästhetischer Wahrnehmung, Bildrechten, Bildagenturen oder didaktischen Erwägungen? Diese Fragen sprengen den Rahmen der Untersuchung,  obgleich gerade diese Gleichgültigkeit und Beliebigkeit gegenüber der Korrektheit der Abbildungen und der zusätzlichen Informationen bei einem komplexen Werk wie dem „Le Serment du Jeu de paume“ problematisch erscheinen und daher weiterer Untersuchungen bedürfen.

Literatur

[1] Popp, Susanne/Wobring, Michael: Einführung in den „europäischen Bildersaal“. In: Dies. (Hrsg.): Der Europäische Bildersaal. Europa und seine Bilder, Schwalbach/Ts 2014, S. 9.

[2] Treydel, Renate: Jazet Jean Pierre Marie. In: Allgemeines Künstlerlexikon.

[3] Erdmann, Elisabeth: Jacques-Louis David: Der Ballhausschwur am 20. Juni 1789. In: Popp, Susanne und Michael Wobring: Der Europäische Bildersaal. Europa und seine Bilder, Schwalbach/Ts 2014, S. 33.

[4] Thamer, Hans-Ulrich: Die französische Revolution, München 2004, S. 29-33.

[5] Erdmann: Jacques-Louis David: Der Ballhausschwur am 20. Juni 1789, S. 28.

[6] Stolpe, Elmar: David, Jacques-Louis. In: Allgemeines Künstlerlexikon.

[7] Kemp, Wolfgang: Das Revolutionstheater des Jacques-Louis David. Eine neue Interpretation des „Schwurs im Ballhaus“. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 21 (1986), S. 165 f., S. 170-174.

[8] Ebd., S. 166.

[9] Ein sehr umfangreicher Katalog lässt sich finden bei: Bordes, Philippe: Le Serment du Jeu de Paume de Jacques-Louis David. Le peintre, son milieu et son temps de 1789 á 1792, Paris 1983, S. 181 ff.

[10] Roberts, Warren: Jacques-Louis David and Jean-Louis Prieur. Revolutionary artists, Albany 2000, S. 243f.