Karikaturen als historische Bildquelle

und ihre Verwendung im Geschichtsunterricht

Zur Verwendung von Bildern und Karikaturen in Geschichtsschulbüchern

Bilder strukturieren in Schulbüchern Texte. Sie verbildlichen Sachverhalte und veranschaulichen abstrakte Zusammenhänge. Zahlreiche Studien diagnostizieren den sogenannten „Picture-Superiority-Effect“. Dieser besagt, dass im Zusammenspiel von Bild und Text, Bilder rascher wahrgenommen und abgespeichert werden können als Texte und Bildinhalte besser memoriert werden.[1]

Allerdings sind Bilder weit mehr als nur visuelle Anreize in medialen Produkten und Erinnerungsstützen im Lernprozess. Sie entziehen sich einer eindimensionalen Deutung, emotionalisieren Betrachter, konstruieren historische Narrative und vermögen als Akteure im historischen Prozess wirksam zu sein. An der Quellenqualität sowie Geschichtsmächtigkeit visueller Darstellungen besteht kein Zweifel.[2]

Schulbücher haben primär die Rolle als Bildungsmedien im klassischen Sinne. Sie werden im Kontext eines staatlich bzw. gesellschaftlich formulierten Bildungsauftrags verwendet. Da insbesondere Geschichtsschulbücher langfristige Deutungen geschichtlicher Prozesse anbieten, wirken sie zudem als Erinnerungsmedien für das, was als überlieferungswürdig erachtet wird. Eine dritte Perspektive bieten Schulbücher als Wissensmedium, da sie Sag- und Zeigbarkeitsrahmen definieren und soziokulturelle Aushandlungsprozesse über eben jenes Wissen miteinschließen.[3]

Auswahl und Aufnahme von Karikaturen in Geschichtsschulbücher

Seit den 1980er Jahren ist die durchgehende Bebilderung von Schulbüchern Standard, nachdem das digitale Desktop Publishing möglich wurde und sich als moderne Druckvorstufe durchsetzte. Dabei war und ist die Frage nach der Verfügbarkeit von Bildern sowie nach den Akteuren der Bildproduktion, -distribution und –auswahl zu beantworten.

Wie Schulbuchinhalte generell sind auch Schulbuchbilder zum einen Ausdruck mediengeschichtlicher, wissenschaftsgeschichtlicher und pädagogischer Bedingungen. Zum anderen sind sie Resultat gesellschaftlicher Diskurse. Mit dem Begriff „Diskursarena“ werden die gesellschaftspolitischen Machtauseinandersetzungen um das Schulbuchwissen beschrieben, das repräsentatives Wissen im Sinne einer Selbstdarstellung einer jeden Gesellschaft ist. Schulbücher sind daher Dokumente der offiziellen Kultur. Sie geben über aufwendige Zulassungsprozeduren gültig gemachtes Wissen an die nächste Generation weiter.[4] Als Ausdruck gesellschaftlicher Debatten und Prozesse sind Medien keine neutralen Träger oder Behältnisse von Gedächtniszeichen, sondern enthalten ihrerseits schon Deutungen der Geschichte. Es geht darum, wer relevantes Wissen definiert und welche Bilder und Visiotype sich zur Repräsentation eines Ereignisses herauskristallisieren.[5]

Die Karikatur als historische Bildquelle

Im gegenwärtigen Geschichtsunterricht ist der Wert von Karikaturen unbestritten. Bereits ab der Mittelstufe enthalten moderne, um Quellenvielfalt bemühte Lehrwerke ausgewählte Reproduktionen und selbst in schriftliche Abituraufgaben finden Karikaturen Eingang. Sie stellen reizvolle Unterrichtsmittel dar, weil sie abstrakte Zusammenhänge visualisieren, veranschaulichen und gleichzeitig perspektivisch brechen, da sie oft einen Einstieg in einen Themenbereich bieten.[6]

Für einen Einsatz von Karikaturen als motivierendes Mittel eines problemorientierten Geschichtsunterrichts sprechen die folgenden Argumente:

  • Als zeitgenössische Originalquellen bieten sie eine Fülle von historischen Bezügen und Anknüpfungspunkten;
  • Eine gute Karikatur bringt einen komplexen Sachverhalt auf den Punkt, was der Methodik des Geschichtsunterrichts entgegenkommt;
  • Den Schüler*innen wird visuelles Lernen ermöglicht, was die Einprägsamkeit eines historischen Phänomens erhöht;
  • Trotz ihrer zeitlichen Distanz zur Gegenwart erhalten die Schüler*innen durch die Komik in der Karikatur einen affektiven Zugang zu einem historischen Phänomen;
  • Da eine Karikatur parteiisch ist und Stellung bezieht, provoziert sie eine Stellungnahme der Schüler*innen. Sie werden dabei unwillkürlich gezwungen, Vorwissen zu erwerben, zu aktivieren und neu zu verknüpfen;
  • Die Beziehung von Bild- und Sachebene spornt zur Entschlüsselung und Deutung an, Symbol- und Zeichenbezüge machen den Rätselcharakter von Karikaturen aus.[7]

Der Einsatz von Karikaturen im Geschichtsunterricht muss allerdings wohl bedacht werden und bedarf einer reflektierten Planung. Denn die Problematik der Karikaturen liegt darin, dass sie eben nicht historische Realität darstellen, sondern sich in einem komplexen kommunikativen Kontext befinden, den es bei der Erschließung zu berücksichtigen gilt:

  • Karikaturen greifen mit wenigen Ausnahmen konkrete historische Situationen auf, die von den Autor*innen der Karikatur auf ihre Weise wahrgenommen und gewertet wird;
  • Die Wertung ist von individuellen Faktoren abhängig sowie von seiner räumlichen und zeitlichen Nähe zum Geschehen
  • Faktoren wie die Erwartungen eines Auftraggebers oder eines Rezipientenkreises sowie politische und rechtliche Rahmenbedingungen (z.B. Zensur) bestimmen ebenfalls die Darstellungsmöglichkeiten und Wirkungszusammenhänge von Karikaturen;
  • Der intentionale Zusammenhang, dass der/die Karikaturist*in versucht aufzuklären, zu kritisieren, zu tadeln, bestehende Einstellungen und Haltungen zu verfestigen oder zu verändern, muss bei jedem Deutungsversuch berücksichtigt werden. Als direkte Quelle für einen historischen Sachverhalt ist die Karikatur wenig geeignet. Sie bedarf intensiver Erläuterung bzw. der Ergänzung durch anderes Material;
  • Eine Karikatur entfaltet ihre Wirkung durch Verfremdung, d.h. es wird eine Differenz aufgebaut zwischen der normalen Wahrnehmung eines historischen Phänomens durch die Öffentlichkeit und der spezifischen satirischen Brechung. Damit impliziert sie auch immer die kundigen Rezipienten, die sowohl der Sachzusammenhang als auch das verwendete Zeichen- und Symbolinventar bekannt sind.[8]

Vorüberlegungen zum erfolgreichen Einsatz von Karikaturen müssen mit Bezug zum Gegenstand, mit dem Schülerbezug, mit dem didaktisch-methodischen Bezug und im Hinblick auf die Präsentation angestellt werden. Am geläufigsten dürfte die Verwendung von Karikaturen als Einstieg und Motivation sein. Sie können aber genauso als Grundlagen für Vertiefung, Transfer und Problematisierung, als Basis für Wiederholungen, Lernkontrollen sowie mündliche und schriftliche Leistungserhebungen dienen. Bei allen Fragestellungen ist in jedem Fall zu beachten, dass eine Karikatur Realität nicht wiederzugeben, sondern zu beurteilen beabsichtigt.[9]

Literatur

[1] Halder, Lucia: Bilderwelten im Schulbuch. Die visuelle Dimension eines multimodalen Massenmediums. In: Tribukait, Maren (Hg.), Schulbuch, Reihe: Non Fiktion. Arsenal der anderen Gattungen, Heft 2, Hannover 2014, S. 65.

[2] Ebd., S. 65-66.

[3] Ebd., S. 67-68.

[4] Höhne, Thomas: Schulbuchwissen. Umrisse einer Wissens- und Medientheorie des Schulbuches, Frankfurter Beiträge zur Erziehungswissenschaft, Reihe Monographien, Frankfurt 2003, S. 5.

[5] Halder, Lucia: Bilderwelten im Schulbuch, S. 80.

[6] Kaulfuß, Ralf: Geschichtsbilder. Historisches Lernen mit Bildern und Karikaturen, Handreichung für den Geschichtsunterricht am Gymnasium, Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung München 2001, S. 91, 98.

[7] Ebd., S 99. – 100.

[8] Ebd., S. 102 – 104.