Porträtdenare Karls des Großen
Ein Vergleich ihrer Verwendung in Geschichtsschulbüchern
Porträtdenare und ihre Verwendung in Schulbüchern
Fotografien dieses Silberdenars Karls des Großen gehören heute zu den häufigsten Bildelementen, die in Schulbuchkapiteln über das frühe Mittelalter verwendet werden. Dafür erscheinen sie aus drei Gründen prinzipiell geeignet.
So handelt es sich bei dem Denar erstens um eine zeitgenössische und nicht erst Jahrhunderte später entstandene Abbildung. Zweitens zeigt er die Selbststilisierung oder -inszenierung eines Herrschers und drittens war er als Zahlungsmittel im Umlauf, womit die Abbildung Karls des Großen eine gewisse Verbreitung und Bekanntheit erlangen konnte. Während bei vielen Bildern in Schulbüchern nicht immer deutlich wird, ob sie als reines Illustrationselement abgebildet werden oder ein inhaltlicher Bezug zu den Lehrinhalten auf der Seite besteht, ist dieser bei Verwendung dieser Münze häufig erkennbar. Sie soll dann meist die Bezugnahme Karls beziehungsweise der mittelalterlichen Kaiser im Allgemeinen auf antike römische Kaiser, die als Vorbild für die eigene Herrschaft galten, demonstrieren sowie den Anspruch geltend machen, das zerfallene römische Imperium zu neuem Leben zu erwecken.
Vergleichende Untersuchung
Geschichte und Gegenwart
Ich habe die Verwendung dieses Silberdenars als Bildelement in einer Reihe von deutschen und polnischen Geschichtsschulbüchern seit 1990 verglichen. Ausgangspunkt der Untersuchung war das Schulbuch Geschichte und Gegenwart (Band 2, 2007). Darin wird eine Fotografie dieser Münze zur Einführung in die Epoche des Mittelalters verwendet. Sie dient nicht bloß der reinen Illustration, sondern ist explizit mit einer Arbeitsanweisung versehen, die dazu auffordert herauszufinden „aus welchem Grund Karl der Große genau diese Form der Abbildung gewählt hat“. Dazu soll sie mit der Fotografie einer zweiten Münze direkt darunter verglichen werden, einer Münze des römischen Kaisers Augustus.
Zu zwei der vier Textblöcke auf der Doppelseite weist Karls Münze einen impliziten, aber unmittelbaren Bezug auf: „das römische Erbe“ sowie „das Fortleben römischer Tradition […] im Bereich von Herrschaft und Politik.“ Zu erkennen ist genau das Ziel der oben genannten Aufgabenstellung zu den zwei Münzen. Im Textblock „Germanen“ werden die Franken hervorgehoben, deren König Karl war. Keine unmittelbare Verbindung besteht dagegen vom Textblock „Christentum“ zur Münze. (Die große Bedeutung des Christentums für Karl und umgekehrt wird den Schüler*innen an dieser Stelle deshalb höchstens durch eine zusätzliche Erklärung der Lehrkraft bewusst.)
Ergebnis
Die Abbildung der Münze symbolisiert also nicht eine einzelne der drei „Säulen“ oder „Wurzeln“ des Mittelalters, sondern deren Verbindung, d.h. das Mittelalter selbst. Insofern ist ihr Abdruck in der Mitte der Doppelseite konsequent.
In anderen Büchern, die dieselbe Abbildung verwenden, wird am häufigsten die Berufung mittelalterlicher Kaiser auf das römische Imperium betont, sie kann aber auch andere Themen symbolisieren, z.B. Karl als Person. Dementsprechend gehört hierhin ein Beispiel für die Verwendung eines Porträtdenars, um Karl als individuelle Person darzustellen.
Andere Abbildungen für das gleiche Thema
Das Vorgehen lässt sich schließlich auch andersherum durchführen. Wie sich dabei zeigt, werden für das gleiche Thema ebenso oft andere spezifische Abbildungen verwendet. Ein Dauerbrenner in polnischen Schulbüchern ist die Reiterstatuette Karls des Großen. Fast so häufig kommen Malereien zur Verwendung, die Karls Krönung zum Kaiser darstellen. Seltener sind in gegenwärtigen Schulbüchern dagegen moderne historisierende Zeichnungen, wie zum Beispiel die nachfolgend abgebildete Öffnung von Karls Gruft durch Otto III.
Von Daniel Fleisch