Die Visualisierung des Vietnamkrieges in Schulbüchern
Eine Korpusanalyse
Herzlichen Glückwunsch!
Sie können hier völlig kostenlos an einem Test teilnehmen. Haben Sie Lust? Wie Sie sicherlich schon anhand der Überschrift erkannt haben, geht es hier um Bilder des Vietnamkrieges. Wenn Sie jetzt an Bilder des Konflikts denken, welche fallen Ihnen da ein? Ich würde mit Ihnen sogar wetten, dass Sie mindestens an eines der folgenden Bilder gedacht haben. Klicken Sie dazu bitte in die nachfolgende Galerie, betätigen Sie die rechte Pfeiltaste und Sie können das Ergebnis sehen.
Und, war Ihr Bild dabei?
Sie fragen sich sicherlich, wie ich zu dieser Einschätzung gekommen bin. Nun habe ich mich intensiv mit der Visualisierung des Vietnamkrieges auseinandergesetzt. Mit der Untersuchung von Schulbüchern konnte ich zudem eine empirische Analyse aufstellen. Die Bilder, die Sie in der Animation gesehen haben, sind die großen Ikonographien des Vietnamkrieges. Sie finden diese fast in jedem Schulbuch ab Mitte der 1990er Jahre, in Chroniken und in der Google-Bilder-Suche sind sie prominent gesetzt. Wer in Deutschland lebt und hier in die Schule ging, hat zumindest eines dieser Bilder schon gesehen.
Wie wird der Vietnamkrieg in Schulbüchern visualisiert?
Nachfolgend erscheint eine Reihe von Bildern, die in Schulbüchern aus Deutschland, der ehemaligen DDR und aus den Vereinigten Staaten von Amerika publiziert worden sind. Sie können sich auch selbst fragen, welche Bilder welchen Ländern zuzuordnen sind.
In der Analyse konnte ich feststellen, dass deutsche Schulbücher seit Jahrzehnten immer die gleichen drei bis vier Ikonographien des Krieges zeigen. In der ehemaligen DDR wurde sogar über zehn Jahre hinweg die gleiche Schulbuchseite abgedruckt. In amerikanischen Lehrbüchern dagegen gibt es viele Variationen von Bildern. Nicht nur kriegsklagende Fotografien sind zu sehen, sondern auch Aufnahmen von konkreten militärischen Handlungen. Dazu zeigen diese Bücher auch vietnamesische Soldaten und Guerrillakämpfer.
Historischer Kontext
Das oben gezeigte Bild des „Rückzugs aus Saigon“, welches international in den Zeitungen abgedruckt wurde, entstand am Dienstag, den 29. April 1975! Nicht 1979 wie in der Bildunterschrift angeben ist. Seit dem Pariser Abkommen von 1973 wurde der Krieg „vietnamisiert“. Das hieß, dass die amerikanischen Streitkräfte sukzessive aus dem Land abgezogen wurden. Der Vietcong rückte weiter in Richtung Süden – auf die Stadt Saigon vor. Es begann die größte und längste Hubschrauber-Evakuierungsmaßnahme der Geschichte. Ca. 70 Marinehelikopter befanden sich 18 Stunden lang im Einsatz und flogen ca. 1000 verbliebene Amerikaner und 6000 Vietnamesen aus Saigon raus auf die Flugzeugträger vor der Küste Vietnams. Am Tag darauf, am 30. April 1975 wurde Saigon eingenommen und der Krieg war zu Ende. Van Es war gegen 11:30 Uhr in der Dunkelkammer als ein Kollege ihn auf den Helikopter beim Pittham Appartement – einen CIA Unterschlupf – aufmerksam machte. Er schnappte sich sein 300mm Objektiv und machte diese berühmte Aufnahme, welche oft mit der Überschrift tituliert wurde: „Das Bild des Scheiterns“. Die New York Times druckte das Bild am 30. April 1975 über fünf Spalten hinweg auf den Aufmacher.
Analyse und Ergebnisse
Nachdem ich mich ausschließlich mit deutschen Schulbüchern nach der Wiedervereinigung beschäftigte, wollte ich wissen, wie das Thema in Schulbüchern der DDR aufgearbeitet wurde. Dabei ignorierte ich den Inhalt der Texte und bezog meine Analyse auch hier auf die Bilder. Der Vergleich war verblüffend: Während der Vietnamkrieg in westdeutschen Schulbüchern erst sporadisch ab dem Ende der Achtzigerjahre behandelt wurde – und seine Visualisierung sogar erst Mitte der Neunzigerjahre einsetzte – war das Thema samt visueller Darstellung in den Schulbüchern der DDR bereits seit dem Jahr 1977 enthalten. Da es im zentralistischen Schulsystem der DDR nur eine Schulbuchreihe für Geschichte in der Sekundarstufe II gab, war es zudem kaum verwunderlich, dass exakt diese Schulbuchseite die Schüler unverändert durch eine Dekade begleitete. Erst 1989 wurde das Thema des Vietnamkrieges visuell neu gestaltet.
In den Vereinigten Staaten von Amerika begegnen wir wieder einem föderalen Schulsystem, mit den Bundesstaaten als hauptverantwortliche Akteure. Das Ergebnis meiner stichprobenartigen Analyse stand im völligen Gegensatz zu den bisherigen Resultaten. Das Napalm-Mädchen fand ich genau einmal, viele tatsächlich Uniformierte (Vietnamesen und US-Soldaten) wurden gezeigt und darüber hinaus konkrete Kriegshandlungen und die jeweiligen politischen Akteure.
Von Pascal Rojahn