Zum kritischen Umgang mit Bildmotiven
Methodische Ansätze zur Motivbestimmung
Wie auch bei der Detektivarbeit gibt es in der Geschichte Hilfswissenschaften, die für die wissenschaftliche Analyse nützlich sein können. Methoden aus der Kunstwissenschaft können dabei helfen, einen Ansatz zur Motivbestimmung zu erhalten. Jedoch fehlen den Historiker*innen oftmals die nötigen Informationen, um eine komplette Motivanalyse durchzuführen. Das fehlende Wissen kann damit ergänzt werden, indem Motive miteinander verglichen werden. Dabei kann festgestellt werden, welche Motive in welchem Kontext reproduziert werden und wie sie in Zusammenhang mit anderen Bildern stehen. Diese Art der Untersuchung kann in einem größeren Rahmen zu der Analyse des Motivkanons führen. Dies ist insbesondere im Schulbuchkontext relevant. Bilder sind, wie von den meisten Didaktikern argumentiert, eine wichtige Unterstützung in Lernprozessen. In den letzten zwei Jahrzehnten nahm die Verwendung von Bildern im Geschichtsunterricht und in Geschichtsschulbüchern zu. Schüler und Schülerinnen profitieren davon, weil unter anderem schwierige Prozesse in der Geschichte besser veranschaulicht werden können. Bei der Sichtung der Motive im Schulbuch haben sich drei Ergebnisse herausgestellt: Motive werden thematisch ausgewählt, sie besitzen einen symbolischen Charakter und werden auch nach Bekanntheitsgrad ausgewählt. Die Auswahl der Motive beeinflusst bewusst und unbewusst die Vermittlung eines gewissen Geschichtsbildes. Daher wird es in Zukunft auch wichtig sein, dass die Schulbuchforschung sich nicht nur auf den Bilderkanon, sondern den Motivkanon konzentriert.
Der kritische Umgang mit Bildern
Das Potential der Untersuchung des Motivkanons im Geschichtsschulbuch liegt in der Gewinnung von Erkenntnissen über das publizierte Geschichtsbild. Es stellt sich die Frage, was es bedeutet, wenn gewisse Themen immer wieder mit ähnlichen Motiven dargestellt werden. Oftmals ist sowohl den Schülern und Schülerinnen, als auch den Lehrkräften nicht bewusst, dass es immer wieder zu Reproduktion ähnlicher Darstellungen und damit auch von festen Deutungssystemen kommt. Die Auseinandersetzung mit der Reproduktion eines bestimmten Geschichtsbildes erfordert viele Kompetenzen, die sowohl in der Lehrerausbildung als auch in der Schule nur minimal gefördert werden. Jedoch ist es Aufgabe der Lehrkräfte, dass die Schüler und Schülerinnen das Schulbuch nicht nur als einfaches Buch, welches Wissen vermittelt anzusehen, sondern auch als Quelle. Der kritische Umgang mit dem Vermittelten soll hierbei nicht nur Textquellen umfassen, sondern auch Bildquellen. Die Erkenntnisse aus den Arbeiten von Michael Sauer oder Susanne Popp können dabei helfen, einen Überblick über die Verwendung von Bildern in Geschichtsschulbüchern zu schaffen. Jedoch beziehen sich die beiden Wissenschaftler hauptsächlich auf Bilder im Allgemeinen und nicht auf Motive. Das könnte damit zusammenhängen, dass es grundsätzlich einfacher ist, ganze Bilder miteinander zu vergleichen als nur Motive. Die entstehenden Schwierigkeiten bei der Motivanalyse werden im Folgenden kurz erläutert.
Die Probleme mit Motiven in Schulbüchern
Bei der Sichtung der Motive in den aktuellen (2015 zugelassen) Schulbüchern ergaben sich drei Probleme: Die Definition von Motiven, die Literaturrecherche und die Erstellung eines Schemas.
Die erste Schwierigkeit, die Definition des Begriffes „Motiv“, stellt sich grundsätzlich bei jeder Art von Analyse. Bevor etwas untersucht werden kann, muss definiert werden, was genau herausgefunden werden soll. Motive sind, wie im oberen Teil erläutert, die Inhaltsträger eines Bildes. Dabei ist es sehr wichtig, das Motiv vom Bildthema begrifflich abzugrenzen. Motive sind Teil des Bildthemas, welches sich aus weiteren Elementen wie z.B. der Farbgestaltung zusammensetzt. Wie schon von einigen Kunstwissenschaftlern angemerkt, gibt es zahlreiche Motive in Bildern. Es können einzelne Gebäude, Personen oder aber auch ganze Motivkompositionen sein. Die Frage, was macht nun ein Motiv zu einem Motiv?, ist nicht gänzlich lösbar. Ein Faktor, der bei der ersten Schwierigkeit mit hinein spielt ist die Verwendung von weiterführender Literatur. Es gibt zahlreiche Kunstlexika, Aufsätze oder aber auch ganze Bände zu einzelnen Motiven in der Kunst (Heilige, das Fenstermotiv, Licht, etc.) aber kaum Werke, die sich mit Motiven im Generellen auseinandersetzen. Des Weiteren besteht das Problem, dass in Schulbüchern nicht nur Kunstwerke, sondern auch Bilder ohne künstlerischen Hintergrund verwendet werden. Hierbei sieht die Motivanalyse anders aus, da die Intention nicht so greifbar ist. Die normale Lehrkraft, die ein geschichtswissenschaftliches Studium abgeschlossen hat, wird die Kompetenzen besitzen, sich kritisch mit Bildquellen auseinander zu setzen, jedoch geht die Motivanalyse oftmals über diese Kompetenzen hinaus. In diesem Fall ist eine verständliche Grundlagenliteratur essentiell. Diese Grundlagenliteratur sollte das Thema vor allem aus einem didaktisch-pädagogischen Blickwinkel betrachten und kann nicht nur auf kunstwissenschaftlicher Forschung basieren. Sie sollte Ansätze zur kritischen Auseinandersetzung mit Motiven bieten und die Möglichkeit des Perspektivenwechsels bieten.
Die letzte Schwierigkeit baut auf den ersten beiden auf und bestand darin ein Schema zu erstellen, um die verschiedenen Motive zu kategorisieren. Aufgrund der Definitionsproblematik und der ungeeigneten Grundlagenliteratur bereitet die Schaffung von Kategorien einige Schwierigkeiten. Um jedoch Ansätze des Motivkanons zu erfassen benötigt man eine gewisse Struktur. Wie bereits erläutert, gibt es zwei Wege um Motive einzuordnen. Zum einen kann man Motive gewissen Themenbereichen zuschreiben, zum anderen findet man bestimmte Kanones in verschiedenen Epochen wieder. Der erste Weg könnte mit Hilfe der Bildungsstandards beschritten werden. Die Bildungsstandards für das Fach Geschichte in der Sekundarstufe 1 legen folgende Themen fest: Alltagskulturen, Herrschaft, Wirtschaft, Eigenes und Fremdes und Bewältigung und Nutzung von Räumen [1] Diese erste Einteilung ist zugegebenermaßen sehr grob. Sie könnte jedoch einen Ansatz für die Erstellung weiterer Unterteilungen bieten. Schüler und Schülerinnen könnten so, im Vergleich mit anderen Schulbüchern, auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Motivauswahl in bestimmten Themenbereichen aufmerksam gemacht werden.
Weitere Fragen
Zusammen mit einem interdisziplinären Ansatz in der Forschung könnte nun versucht werden, die Frage zu klären welches Geschichtsbild durch die Motivauswahl in Geschichtsschulbüchern vermittelt wird. Es sollte jedoch nicht nur geklärt werden, welches Bild vermittelt wird, sondern auch welches sich nicht in unseren Geschichtsschulbüchern wiederfindet.
Literatur
[1] Hessisches Kultusministerium, Bildungsstandards und Inhaltsfelder. Das neue Kerncurriculum für Hesesn. Sekundarstufe 1, Gymnasium,2011.