DAS DESKRIPTIONSSCHEMA
Welche Methoden, Arbeitsweisen, Strategien stehen beim Umgang mit Bildmaterial zur Verfügung?
Diese Fragen stehen im Zentrum der Studiengruppe „Historisches Bildwissen“. Ausgehend von den methodischen Leerstellen innerhalb der noch jungen historischen Bildforschung zielte die Studiengruppe darauf ab, interdisziplinäre Methoden zur Analyse historischen Bildmaterials zu diskutieren, neue Grundlagen dafür zu erarbeiten und in der Forschungspraxis anzuwenden.
Als Ergebnis ging das Deskriptionsschema hervor. Dieses soll alle wichtigen Informationen zu einem Bild sammeln, dessen Zuschreibungen und Interpretationen untersuchen und das direkte Umfeld des Bildes im Schulbuch analysieren. Indem es statische, semi-permanente und dynamische Informationen über das Originalbild und die Reproduktion erfasst, dient es gleichzeitig dazu, einen Beitrag zu einer noch fehlenden systematischen Katalogisierung historischer Bilder zu leisten.
Das Schema wurde im Laufe der Zeit stetig überarbeitet, um den Umgang mit Schulbüchern zu erleichtern und weitere Daten zu historischen Bildern zu generieren.
Neben dem Schema entwickelte die Studiengruppe weitere methodische Ansätze zur Untersuchung des Bildmaterials, die die Teilnehmer*innen an Forschungsprojekten mit Schulbüchern erprobten:
MULTIMODALE LAYOUTANALYSE
Schwerpunkt: Bild/Bild- oder Text/Bild Beziehung
Die Multimodale Layoutanalyse setzt den Fokus auf das Text-Bild-Verhältnis der Schulbuchseiten, indem sie die impliziten und expliziten Bezüge von Texten und Bildern untersucht und die Wirkung dieses Zusammenspiels betrachtet. Sie orientiert sich an den methodisch-theoretischen Überlegungen von Gunther Kress und Theodor von Leeuwen,[1] die diese Methode für Buchdoppelseiten entwickelten. Durch die Abstraktion von Medienbausteinen ermöglicht sie, problematische Verbindungen zu erkennen, die unsere Betrachtungskonventionen prägen.
Hier lesen Sie die Erfahrungsberichte der Studiengruppe zur beispielhaften Anwendung der „Multimodalen Layoutanalyse“ auf Doppelseiten von Geschichtsschulbüchern:
DAS SCHEMA FÜTTERN
Schwerpunkt: Reflexion, z.B. als Recherche-Tagebuch
Das Deskriptionsschema erfasst die historischen Originalbilder und ihre Reproduktionen in Schulbüchern auf drei verschiedenen Ebenen, um fundierte Kenntnisse über das Bild zu erlangen und den historischen Wandel von sprachlichen Zuschreibungen aufzuzeigen.
Zunächst werden statische Informationen über das Originalbild und die Reproduktion gesammelt. Dazu zählen beispielsweise die Maße und das Material des Originalbildes, die sich über Bilddatenbanken recherchieren lassen. Statische Informationen über die Reproduktion sind die Maße sowie die Platzierung des Bildzuschnitts auf der Schulbuchseite, aber auch die Einbindung der Bildunterschriften und der benachbarten Medienbausteine.
Während statische Informationen sich nicht verändern, bemessen sich semi-permanente Informationen am aktuellen Wissenstand. Diese werden in einem zweiten Schritt des Deskriptionsschemas recherchiert. Daten zum Künstler und Auftraggeber des Originalbildes sowie zu seiner Datierung und dem Entstehungsort sind dabei ebenso relevant wie das zeitliche Vorkommen und die bibliographischen Daten der Reproduktion.
Schließlich geraten mit den dynamischen Informationen über das Bild die je spezifischen historischen Kontextualisierungen in den Vordergrund. Die Hauptaufgabe besteht darin, den historischen Kontext, die jeweiligen Bildzuschreibungen und Verwendungszwecke bzw. die Text-Bild-Beziehungen des originalen Bildmaterials und dem reproduzierten Bild im Schulbuch zu recherchieren und aufzuarbeiten.
Durch diese Arbeit soll schließlich aufgezeigt werden, dass es keine objektivierbaren Bilddaten gibt, sondern sich die subjektiven Zuschreibungen im historischen Wandel verändern und damit ein tieferes Verständnis für das historischer Bildwissen im Allgemeinen schaffen.
Hier lesen Sie die Erfahrungsberichte der Studiengruppe zur Anwendung der „Schemas“ auf Bilder in Geschichtsschulbüchern:
MATERIAL(ITÄTS)-PROBLEME
Schwerpunkt: Das Schema hinterfragen
Die Material(itäts)probe zielt darauf ab, das Material des Originalbilds und seiner Reproduktionen zu untersuchen und deren Verhältnis zu reflektieren. Dabei stehen Fragen im Mittelpunkt wie: Woran lassen sich Originalbilder ausmachen und wie sind diese von den Reproduktionen zu unterscheiden? Wie ist das Material des Originals in Kenntnis zu bringen? Welche spezifischen Probleme ergeben sich bei der Reproduktion und Recherche von so unterschiedlichen Materialien und Gegenständen wie Gemälden, Holzschnitten und Kunstobjekten einerseits sowie von klassischen visuellen Medien wie Fotografien und bewegten Bildern andererseits? Und schließlich: wie verändert sich der Informations- und Bedeutungsgehalt durch die Reproduktion und wie ist damit umzugehen?
Hier lesen Sie die Erfahrungsberichte der Studiengruppe zur Untersuchung der „Material(itäts)probleme“ bei Abbildungen in Geschichtsschulbüchern:
BEBILDERUNGS-RESERVOIRS
Schwerpunkt: Erfassung (Thematisch oder Episodisch)
Mit der Untersuchung von Bebilderungsreservoirs zu einem ausgewählten Thema oder einer spezifischen Episode sollen die kollektiven Bildgedächtnisse erforscht werden, die sich anhand der Bebilderung von Schulbüchern manifestieren. Schließlich ist davon auszugehen, dass in visuellen Darstellungen, „institutionalisierte, selbstverständlich gewordene, gewissermaßen automatisch abrufbare Rückbezüge auf historische Themen“ deutlich werden,[2] die sich mit quantifizierenden Methoden und weitreichender Korpusbildung wie auch qualitativer Bildanalysen erschließen lassen. Je nach Fragestellung bieten sich hierbei auch kategorische Erfassungen des Bildmaterials an, wobei eine Hauptaufgabe der Forschungsarbeit darin bestand, sinnvolle und gültige Kategoriensysteme zu entwickeln.
KOMPARATISTISCHE ANSÄTZE
Schwerpunkt: Vergleich (Als Längs- oder Querschnitt)
Der komparatistische Ansatz ermöglicht, die Bebilderung in Schulbüchern synchron zu vergleichen, indem die Abbildungen eines Schulbuchs dem Material in Büchern derselben Zeitschicht gegenübergestellt werden (Querschnitt). Zum anderen lassen sich die visuellen Darstellungen jedoch auch im Längsschnitt ergründen, wobei die Bebilderung eines aktuellen Schulbuches diachron zu älteren Schulbüchern zu untersuchen ist. Es bietet sich zudem an, den komparatisischen Ansatz nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ anzuwenden und ihn mit der Erfassung der Bebildungsreservoirs zu verbinden.
Hier lesen Sie die Erfahrungsberichte der Studiengruppe zur komparatischen Untersuchung von Abbildungen in Geschichtsschulbüchern:
WEITERE METHODISCHE ANSÄTZE
Hier lesen Sie die Erfahrungsberichte der Studiengruppe mit weiteren methodischen Ansätzen zur Beschäftigung mit Geschichtsschulbüchern:
Literatur
[1] Kress, Gunther/Van Leeuwen, Theo: „The Critical Layout Analysis“. In: Internationale Schulbuchforschung 17 No.1, S. 27-33.
[2] Jussen, Bernhard: Plädoyer für eine Ikonologie der Geschichtswissenschaft. Beobachtungen zur bildlichen Formierung historischen Denkens. In: Hubert Locher (Hrsg.): Reinhart Koselleck. Politische Ikonologie. Perspektiven interdisziplinärer Bildforschung (Transformationen des Visuellen. Schriftenreihe des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg Bd. 1), München/Berlin 2013, S. 260. f.