Wo ein Bild ist, kann ein Zeichen sein

Eine vergleichende Analyse von expliziten Text- und Bildbezügen

Analysegegenstand

Die folgende Arbeit analysiert die Schulbuch-Doppelseite zu dem Thema „Liberalismus und Nationalismus in Deutschland und Europa (1806-1871)“, entnommen aus dem Geschichtsschulbuch Zeiten und Menschen. Band 1 (2014) vom Schöningh Verlag. Der Fokus liegt dabei auf der Betrachtung der Text-Bildbezüge mit Hilfe einer Bild- und Textfeldanalyse, wobei die Verlinkung der expliziten Bezüge von Bedeutung ist. Im ersten Schritt werden diese Bezüge ausgehend von der Bildunterschrift, im zweiten von dem Bild-an-sich und zuletzt im Verhältnis zum Textfeld der Doppelseite untersucht.

„Wo ein Bild war, konnte kein Zeichen sein und umgekehrt“[1]

Das einzige Bild auf der Doppelseite

Auf der streng chronologisch strukturierten Schulbuch-Doppelseite befindet sich lediglich auf der oberen Hälfte der rechten Seite die zeitgenössische Lithografie, die laut Angaben des Schulbuchs von einem unbekannten Künstler aus dem Jahr 1832 stammt. Sie wird als „Zug zum Hambacher Schloss“ beschrieben. Das Werk stellt eine Menschenmasse mit Instrumenten und Fahnen dar, welche sich in Richtung eines Schlosses auf dem Berg bewegt.

Mit den Angaben des Schulbuchs lassen sich weitere Daten nicht auffinden. Da es sich bei dem vorliegenden Werk um eine kolorierte Lithografie handelt, ist davon auszugehen, dass diese unter dem Einfluss gezielter oder zufälliger Veränderungen steht. Wichtige Informationen zum Urheber der Lithografie bietet das Historische Museum der Pfalz. [2]

 Abb.2: Ausgewählte Schulbuchdoppelseite aus „Zeiten und Menschen. Geschichte, Oberstufe (Bd. 1)“, S. 342-343.

Die Layout-Anlayse

Die genaue Betrachtung des Layouts zeigte, dass der strikt chronologische Textfluss nur auf der rechten Seite durch das Bild unterbrochen wird. Auch wenn die Textfläche auf der Doppelseite dominiert, nimmt im Verhältnis dazu das Bild etwa 1/4 der Gesamtfläche der Seiten ein. Weitere Gestaltungsmedien sind nicht vorhanden. Um diese Unterbrechung verstehen zu können, ist nun die Betrachtung der Verhältnisse zwischen expliziten Bezügen und dem Bild notwendig.

Die Layout-Analyse

Die Arbeitsmethode

Visualisierung der Arbeitsmethode

1. Unterteilung: "Bildunterschrift" - "Bild-an-sich"

Die Analyse wird in mehrere Arbeitsschritte aufgeteilt. Im ersten Schritt ist eine Trennung zwischen der Analyse der Text-Bildbezüge ausgehend von der „Bildunterschrift“ (rosa Markierungen) und dem „Bild-an-sich“ (grüne Markierungen) wichtig. Denn nur so lassen sich gezielt explizite Bezüge in Kategorien einteilen, sodass eine vereinfachte Darstellung überhaupt erst möglich wird. Außerdem erleichtert dieser Arbeitsschritt den Leser*innen, ein Gefühl und Verständnis für den Aussagegehalt dieser Bezüge zu verschaffen.

2. Einteilung: Explizite Bezüge

Als nächstes wird eine Kategorisierung und Zuordnung der expliziten Bezüge in verschiedene Grade unternommen. Vorarbeiten haben gezeigt, dass bei diesem Beispiel nur eine Einteilung in explizite Bezüge ersten Grades (formal) sinnvoll ist. Es ist möglich, die expliziten Bezüge je nach Untersuchungsfrage in mehrere Grade einzuordnen, z.B. in einen zweiten (inhaltlichen) Grad. Des Weiteren könnte sich die Arbeit auf implizite Bezüge ausweiten.

Für die folgende Arbeit werden explizite Bezüge jedoch auf den ersten Grad beschränkt, nachdem diese formal als sehr genau eingestuft werden können. Dies ist insofern richtig, als die expliziten Bezüge ersten Grades formal nachweisbar sind und als genaue Begrifflichkeit auf der Doppelseite vorhanden sind.

3. Zuordung: Explizite Bezüge als Anker

Zuletzt dienen die erarbeiteten Bezüge ausgehend von der „Bildunterschrift“ (Grün) und dem „Bild-an-sich“ (Rosa) als Anker, um analysieren zu können, in welchem Verhältnis sie zum Bild- und Textfeld stehen.

Auswertung

  1. Mit der Marginalie 6 „Hambacher Fest“ (siehe Layout-Analyse) kann der Beginn der expliziten Bezüge sowohl an der Bildunterschrift als auch an dem „Bild-an-sich“ festgelegt werden.
  2. Auch wenn die tabellarische Gegenüberstellung deutlich macht, dass die expliziten Bezüge der Bildunterschrift und dem „Bild-an-sich“ unterschiedlich sind, kann festgehalten werden, dass das Beispiel eine starke Kopplung zwischen Text-, Bildunterschrift und dem Bild aufweist (siehe Markierungen).
  3. Es sei darauf hingewiesen, dass trotz einer Ansammlung von expliziten Bezügen, kein direkter Verweis auf die Bildunterschrift oder auf das „Bild-an-sich“ vorhanden ist.
  4. Aufgrund der chronologischen Seitenstruktur und der einmaligen Unterbrechung des Textflusses durch das Bild, lässt sich die These aufstellen, dass das Bild z.T. auch als Gedächtnisstütze fungiert. Sie könnte zur zeitlichen Unterscheidung zwischen dem erwähnten „Wartburgfest“ (1817) und dem abgebildeten „Hambacher Fest“ (1832), das für die deutsche Geschichte von ausschlaggebenderer Bedeutung war, dienen. Es findet eine „gezielte“ Hervorhebung statt.
  5. Das Bild hat eine einleitende, chronologische, darstellende, hervorhebende und strukturierende Funktion.

Ausblick

Selbstverständlich kann die durchgeführte Analyse erweitert und vertieft werden. Möglichkeiten dafür wären:

  • Die Arbeitsmethode auszuweiten: Bei der Untersuchung könnten die Grade der expliziten Bezüge erweitert werden, sodass sogar implizite Bezüge zu analysieren sind. Des Weiteren ist es möglich, statt Substantiven nur Adjektive als Ausgangspunkt für die Analyse zu verwenden. Zuletzt könnten ausgehend vom „Anker“ entweder die ganze Seite oder nur die direkt nebenstehenden Begriffe oder aber nur der Satz, in dem er auftaucht, auf Substantive untersucht werden.
  • Eine genaue Betrachtung der Begrifflichkeiten ausgehend von den expliziten Bezügen: In diesem Fall dienen die expliziten Bezüge als Anker. Hierbei fungieren sie als Ausgangspunkte für eine genauere Analyse der Semantik des Textfeldes.
  • Die Anwendung auf andere Doppelseiten: Die skizzierte Arbeitsmethode könnte exemplarisch auf weitere Schulbuchseiten angewendet werden. Besonders empfehlenswert ist dabei die Untersuchung von Historienbildern, wie dieses Beispiel gezeigt hat.

Von Seyma Doudouxi 

Literatur

[1] Frank, Gustav/Lange, Barbara: Einführung in die Bildwissenschaften, Darmstadt 2010, S. 65.

[2] Laut den Angaben des Historischen Museums der Pfalz handelt es sich im vorliegendem Werk um eine „kolorierte Federlithografie“. Der Urheber dieser Lithografie sei Erhard Joseph Brenzinger. Da es sich um eine Kolorierung und zusätzlich um eine Lithografie handelt, können Übertragungsfehler sowohl bei den Farben als auch bei  den Ausschnitten vorliegen, die zum Teil auch der Technik der Lithografie geschuldet sind.

Tekampe, Ludger: Zug auf das Hambacher Schloss 1832. In: https://www.museum-digital.de/rlp/index.php?t=objekt&oges=6712. Speyer 2014. (Zuletzt geprüft am 29.01.2018)